Woran scheiterte die Utopie eines menschlichen Gemeinwesens in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? Am Egoismus des Einzelnen – und am Machtmonopol derer, die die „reine Lehre“ propagieren und mit dem emotionslosen Skalpell kritischer Vernunft alles wegschneiden, was an Alternativen und pragmatischen Umsetzungsversuchen links und rechts neben der Doktrin entsteht. Hermann Kriege (1820-1850) hat Vorschläge gemacht. Marx und Engels erkannten sein Potential – und ließen ihn fallen, attackierten seine Ideen und seine Person. Ihr Einfluss reichte bis nach Amerika, wohin Kriege zweimal auswanderte. Er endete nach einem kurzen, kämpferischen Leben in einem New Yorker Irrenhaus – der erste Fall kommunistischer „Säuberung“?
„Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass die Verbindung zwischen Kommunismus und autoritärem Staatswesen eine Erfindung Lenins war. Diese Haltung begann schon mit der Gründung des marxistischen Kommunismus um 1846. […] Krieges Wirken wurde als Kompromittierung der Kommunistischen Partei in Europa und Amerika verurteilt, sie habe eine extrem schädliche Wirkung auf die Moral der Arbeiter. Das Brüsseler Kommunistische Korrespondenz Komitee beschloss daher, dass ein Zirkular gegen Kriege unter den Kommunisten in Deutschland, Frankreich und England verbreitet werden sollte. Das geschah zu einer Zeit, als die ‚Partei‘ aus Engels, Marx’ Schwager und vier Freunden bestand.“
Gareth Stedman Jones, Times Litterary Supplement No. 5175, 7. Juni 2002
- Veröffentlicht am Donnerstag 11. Juni 2009 von Aisthesis
- ISBN: 9783895287367
- 423 Seiten
- Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur (ab 1945)