David Farbstein (1868-1953): jüdischer Sozialist – sozialistischer Jude

Ein Leben im Kampf gegen Benachteiligung und Ausgrenzung

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David Farbstein, in orthodoxem Milieu in Warschau geboren, studierte nach einer Rabbinerausbildung in Osteuropa in Deutschland und der Schweiz Jurisprudenz. Nach seiner Einbürgerung 1897 liess er sich als Anwalt in Zürich nieder und trat gleichzeitig der Israelitischen Cultusgemeinde (ICZ) und der Sozialdemokratischen Partei (SP) bei. Von 1896 bis 1908 war er mit der Ärztin und aktiven Sozialdemokratin Betty Ostersetzer verheiratet.
Als Politiker beteiligte er sich am Kampf der SP für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter. Als Anwalt führte er viele politische Prozesse und sogenannte Frauenprozesse. 1922-1938 erhob er als Nationalrat und Jurist die Stimme des Fortschritts in der Beurteilung von Straftaten und Straftätern. Gerade auf Grund seiner für einen Sozialdemokraten nicht selbstverständlichen religiösen Bindungen beharrte er auf der scharfen Trennung zwischen religiösen Geboten und juristischen Strafbestimmungen und auf der Abschaffung der Todesstrafe.
In den jüdischen Organisationen, dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) und der ICZ, war er ein früher Kämpfer für Gleichberechtigung nach innen und aussen, für die Anliegen der Orthodoxie, der Ostjuden und der Zionisten sowie gegen den Antisemitismus. Mit unverblümten öffentlichen Reaktionen auf Judenfeindlichkeit erschreckte er die jüdischen Taktiker und blieb lange der Sprecher einer kleinen, von vielen jüdischen ‚Notabeln‘ ungeliebten Minderheit.
Am Wirken David Farbsteins lassen sich exemplarisch Konfliktsituationen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im schweizerischen jüdischen und sozialdemokratischen Umfeld aufzeigen. Anhand zahlreicher Artikel Farbsteins aus der sozialdemokratischen und jüdischen Presse sowie vieler, meist unveröffentlichter Quellen v. a. aus den Archiven des SIG, der ICZ und der Central Zionist Archives, Jerusalem, wird dieses Wirken nachvollziehbar gemacht.