Delphi Lila

von

Die Jetztzeit: Die Psychologiestudentin Lucia erbt eine mit merkwürdigen Symbolen verzierte Schatulle, darin ein Bündel alter, zum Teil nur noch mühsam zu entziffernder Manuskripte in verschiedenen Sprachen und Übersetzungen. In einem Begleitbrief bittet ihre italienische Verwandte Maya sie darum, diese Manuskriptsammlung, welche die Lebensgeschichte einer Sophia im 5. Jh. v. Chr. in Griechenland beschreibt, nach ihrem Tod zu veröffentlichen, um auf diese Weise „Licht in ein dunkles Kapitel abendländischer Geschichte“ zu bringen. Nur zögernd befasst sich die Erbin mit der Hinterlassenschaft, zu der auch ein schmales Heft mit handschriftlichen Notizen Mayas zu den entscheidenden Stationen ihres bewegten Lebens gehört: Ihre glückliche Kindheit in einer Künstlerkolonie auf dem Monte Santo in Kampanien, die später durch die Eskapaden eines berühmt/berüchtigten Onkels ein jähes Ende findet. Ihre Liebesgeschichte mit Leopold Möbius, einem deutschen Professor für Literatur, dem sie im römischen Etruskermuseum zum erstenmal begegnet, der Einfluss des Malers Edgar, dessen Dunkelkammerexperimente sie in veränderte Bewusstseinszustände versetzen. Schließlich erkennt Lucia den Sinn dieser vermeintlich willkürlichen Verknüpfung: Bestimmte Szenen und Motive im Leben der Malerin Maya tauchten bereits in der Vita einer jungen Frau vor zweieinhalbtausend Jahren auf, als hätten sie nur darauf gewartet, wiederaufgenommen zu werden.
Die Delphigeschichte schildert die Entwicklung der jungen Protagonistin Sophia, die als Findelkind der amtierenden Pythia zunehmend Einblick in die Abläufe im Apollontempel und das Ränkespiel der Priesterclique gewinnt. Eines Tages beobachtet sie, wie zwei der amtierenden Propheten mit einer glühenden Nadel Wachstäfelchen öffnen, auf denen einflussreiche Kunden ihre Fragen für die Pythia niedergeschrieben haben; anschließend versiegeln sie die Dokumente wieder. Auf diese Weise bleibt ihnen Zeit genug, sich politisch opportune Antworten zu überlegen und als Anweisung des Orakels auszugeben, das dafür reiche Belohnung erwarten darf. Kurz vor der entscheidenden Schlacht von Salamis im zweiten der drei Perserkriege nehmen die Ereignisse an Dramatik zu. Auch diesmal versuchen die Priester, das Rad der Geschichte in eine ihnen genehme Richtung zu drehen. Als die sechzehnjährige Sophia die Manipulation aufdeckt, gerät sie in Lebensgefahr, d.h. sie bekommt einen Pfeilschuss aus dem Hinterhalt, und flieht, kaum genesen, nach Süditalien, wo sie nach abenteuerlichen Reisen zur Akademie der Pythagoräer findet, das Geheimnis ihrer Herkunft enträtselt, die Liebe ihres Lebens findet (und wieder verliert) und sich zur Philosophin ausbilden lässt. Erst nach zwanzig Jahren kehrt sie in das stark veränderte Delphi zurück. Sie lässt sich unweit der Tempelstadt in einer Grotte nieder und wird durch ihre Heilkunst und spirituelle Weisheit weithin bekannt. Noch im hohen Alter gründet sie eine Schule, die dem Leitmotiv des Thales gewidmet ist: „Erkenne dich selbst – und du wirst das Universum und die Götter erkennen“.