‚Es ins Auge zu fassen, ist das gefragte ‚Wozu‘ – der Sache BSE wie des Lärms um sie –, und das allein macht die eigentliche Charakteristik aus, die diesen Skandal zu einem sonderlichen vor anderen macht und dazu anhält, sein Menetekel zu entziffern. Sicher, die ersten Reaktionen seinerzeit, als die fatale Schrift an der Wand erschien, versprachen nur das Gewöhnliche mit der gewohnten Aktualitätsfrist –: eine Seuche, soso; eine böse Krankheit schon wieder, die aber sicher nur böse Menschen befällt; ‚die Medizin‘ wird’s schon richten. Entsprechend begannen im Hintergrund, zur automatischen Beruhigung, allerlei ‚Forschungsinstitute‘ zu ragen, und im Vordergrund meldeten sich zuhauf die fälligen ‚BSE-Experten‘ – eine spezielle Sorte von Mitmenschen, unter denen man sich zwar, bei gegebener Problemlage, nur schwer etwas Gescheites vorstellen kann, die man aber aus der Zusammensetzung mit ‚Krebs-‚ und ‚Aids-‚ schon kennt, also Leute jedenfalls, die von immergrünen Problemen leben. Ihr wortreich vorgetragenes ‚Wir arbeiten dran‘, sonst völlig ausreichend, um Glaubensgewißheit herzustellen und neue Forschungsgelder auf den Weg zu bringen, schien auch diesmal zu greifen, und eher routinemäßig gingen die Politiker an den Tanz, um den ‚Schutz des Verbrauchers‘ – ein gut einstudierter Versprecher von ‚Schutz des Verbrauchens‘ – sicherzustellen: der Konsum lief fast ohne Beeinträchtigung weiter; der Kanzler biß öffentlich in die Currywurst, und die Äußerungen des kleineren Machtpersonals hielten sich mühelos auf dem Niveau jenes Ministers Irgendwer, der seinerzeit in den Rhein sprang, um darzutun, daß man’s durchaus darin aushalten könne – was die Fische verschiedentlich bestritten hatten. Die Verlagerung des Problems auf die Wirtschaftsseite schien jedenfalls keine Probleme zu bieten und die Installation der Ersten Bürgerpflicht gesichert, – als auf einmal nichts mehr stimmte.‘ Textauszug
- Veröffentlicht am Donnerstag 1. Februar 2001 von ASKU Sven Uftring
- ISBN: 9783930994137
- 48 Seiten
- Genre: Belletristik, Essays, Feuilleton, Interviews, Literaturkritik