Der Bergbrenner

Ein Langsamlesebuch

von

Hubert S. Ilsanker ist Wurzengraber, Schnapsbrenner und Musikant. Sein Arbeitsplatz sind die uralten Brennhütten hoch über dem Königssee – Priesberg, Wasseralm, Funtensee und Eckeralm am Rossfeld –, wo er in alter handwerklicher Brenntechnik aus den wild wachsenden Enzian- und Meisterwurzpflanzen edle Destillate herstellt. Ein Jahr lang nimmt er den Leser zu seiner einzigartigen Arbeit in die Berge mit, wo die Natur den Lebensrhythmus vorgibt und Hast und Eile drunten bleiben.

Schon während seiner Schulzeit arbeitete der Autor bei den Holzknechten in den Bergen und versuchte sich auch als Wurzengraber am Priesberg. Als er dann als Schnapsbrenner Arbeit fand, nahm er die stillgelegten Brennhütten Funtensee und Wasseralm im Steinernen Meer, die nur zu Fuß erreichbar sind, wieder in Betrieb und führt seither eine 400 Jahre alte Tradition fort. Für ihn der schönste Arbeitsplatz.

Auf den Brennhütten ist das Leben bestimmt von der harten Arbeit des Wurzengrabens, dem Einbringen aus den Steilhängen und dem mühsamen, monotonen Kleinhacken der Wurzeln auf Kaffeebohnengröße. Auch müssen die Hütten gepflegt werden und Reparaturen gibt es immer. Trotzdem verleiht diese Arbeit tiefe Zufriedenheit und am Abend sitzen die Wurzengraber zusammen, wo es auch mal ausgelassen hergehen kann.
„Die Wurzengraber sitzen in der Brennhütte beieinander. Draußen dichter, nasser Nebel, der ihnen den Feierabend leicht macht. Speck und Brot und einen aufs Recht. Zufriedene Gesichter, mit Stolz und Ehrfurcht vor dem Besonderen, einer der wenigen zu sein, die das Privileg haben, Wurzen zu graben.“

Der Schinderei folgt das geduldige Abwarten des stundenlangen Gär- und Destillationsprozesses. Dann ist auch mal Zeit zum Sinnieren, ein Lied zu schreiben oder die Abgeschiedenheit zu genießen.
„Mittags sitz ich auf einem Stein im Halbschatten einer Zirbe in teilweise absoluter Stille. Wirklicher Stille. Also überhaupt keine Geräusche. Nichts. Als wären die Leitungen von den Ohren ins Gehirn gekappt.“

Wenn es aber tagelang regnet und kein Besucher kommt, drücken Einsamkeit und Verlassenheit aufs Gemüt.
„Als mich damals, nach Wochen, jemand besuchen wollte, stellte ich mich tot… Jetzt war schon so lange keiner da, da brauche ich den auch nicht mehr … Einsiedelei, Angst vor dem Fremden, seine Ruhe haben wollen, einen Gruß, ein Gespräch vermeiden – das war ich. Kaum zu glauben!“

Seine tief verwurzelte Liebe zur Natur macht ihn zu einem feinsinnigen Beobachter: sei es die großartige Berglandschaft, Mäuse in seinen Hütten, der Auerhahn, der die Skifahrer als Rivalen angreift, ein Hirsch, der seine Posaune beschnuppert, die zahlreichen Murmeltiere oder die Blütenpracht im Bergsommer, wenn vom Funtenseetauern ein blauer Bach aus Eisenhut herabläuft. Durch seine lebendige Erzählweise fühlt sich der Leser immer hautnah in die Bergwelt versetzt.
„.. Egal, wie viel Schnee noch liegt, die Zeit des Schlafens ist vorbei. Beim genauen Hinsehen erkennt man einen Kopf mit kleinen Ohren und braunem Fell, dunkle Augen, die im grellen Licht blinzeln. Nach einem halben Jahr die ersten Sonnenstrahlen! Schließlich kommt ein abgemagertes, armseliges Mankei zur Gänze aus dem Schnee gekrochen. Es muss ein schrecklicher Anblick für den Nager sein, keine grünen Almmatten vorzufinden, wo doch jetzt Fressen angesagt wäre, um wieder zu Kräften zu kommen.“

Das Buch lebt auch von Geschichten voll Humor und Witz sowie der für Berchtesgaden typischen Antreiberei. Die Brennhütten liegen in einem sehr beliebten Wandergebiet und der Autor ist bei Einheimischen und Gästen bekannt dafür, dass bei ihm Lustigsein nicht verboten ist.
„Eine sehr fröhliche Runde saß gestern vor der Hütte – Musikanten, die freiweg zusammenspielen konnten … Die Wanderer blieben stehen und gesellten sich dazu, tranken Bier und bezahlten für die Musikanten Schnaps. Sie merkten nichts davon, dass es diese Musikgruppe noch nie gab…“

Tagebuchartig erzählt der Autor nicht nur von seiner einzigartigen Arbeit und der großartigen Natur, sondern auch von seinen Begegnungen mit Menschen unterschiedlichster Charaktere, wo auch Konflikte nicht ausbleiben. Eingestreut sind Spruchweisheiten, Gedichte und Lieder.
„Es gibt Tage, an denen kommen besonders viele Gäste mit Hund. Da gibt es Hunde, die in den Wassertrog sprangen, dass die Schnapsgläser flogen und die Schnapsflaschen umfielen, und die Hundehaare auf der Wasseroberfläche den nebenstehenden Nichthundebesitzer dazu brachten, sich mit dem Hundebesitzer anzulegen.“

Hubert Ilsanker ist auch Musiker. Er spielt im Oxn-Augn-Trio die Posaune, dichtet und komponiert Lieder mit poetischen und zeitkritischen Texten, z. B. von eisernen Vögeln, die es mit dem majestätischen Flug des Adlers nicht aufnehmen können.

Ein authentisches Buch, amüsant und unterhaltsam, mit bezaubernd poetischen Momenten. Ein Buch voller Lebensfreude, bei dem man sich beim Lesen gerne Zeit lässt – wozu der Autor eingangs auffordert –, um in den Geschichten zu verweilen. Es ist auch ein Zeitdokument vom ursprünglichen Leben und Arbeiten in den Bergen – ehe die Zeit endgültig alles verweht.