Der deutsche Musikfilm

Archäologie eines Genres 1914-1945

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Wohl kein zweites Genre der deutschen Filmgeschichte hat eine derart hohe Anziehungskraft auf sein historisches Publikum ausgeübt wie der Musikfilm. In der Verbindung von populären Stoffen, Stars und Schlagermelodien erreichten seine zahlreichen Spielarten zwischen den Weltkriegen ein Millionenpublikum – von der Filmoper und Filmoperette der Stummfilmzeit über den Sängerfilm und die Tonfilm-Operette der frühen Tonfilmjahre bis hin zum Revue- und Operettenfilm der 1930er und 1940er Jahre. Der Musikfilm bildete damit einen Grundpfeiler der Filmindustrie, dem die für die Gesamtentwicklung des deutschen Films maßgeblichen technisch-ästhetischen Innovationen und engen Verflechtungen mit anderen Unterhaltungskünsten ebenso eingeschrieben sind wie die historisch prägenden politischen Umbrüche und ideologischen Vereinnahmungsversuche.

Auf mehreren Ebenen bietet sich der deutsche Musikfilm damit einer kulturhistorischen Aufarbeitung an, die in dieser Monografie erstmals umfassend geleistet wird. Das Buch von Michael Wedel rekonstruiert die Etablierung des Genres lange vor dem Aufkommen des Tonfilms und zeichnet detailliert die technischen Verfahren zur Synchronisation von Stummfilm und Musik nach. Zugleich beschreibt es die reichhaltigen Verflechtungen zwischen Musikfilm und Musiktheater und dokumentiert das Interesse der musikalischen Avantgarde am Film. Mit prägnanten Einzelanalysen von Klassikern wie „Die Drei von der Tankstelle“ (1930), „Der Kongress tanzt“ (1931), „Viktor und Viktoria“ (1933), „Die blonde Carmen“ (1935) und „Operette“ (1940) unternimmt der die Studie eine grundsätzliche Neubetrachtung des stilistischen Innovationspotenzials sowie der gesellschaftlichen Funktion des Musikfilms am Vorabend und zur Zeit des Nationalsozialismus. Das Buch bietet damit erstmalig eine systematische Darstellung der historischen Vielfalt des deutschen Musikfilms und seiner kulturellen Traditionen.