Der Gehülfe

von

‚Vor den Augen des scheinbar von einer Reise herkommenden Mannes war auf einem Emailleschild zu lesen: C. Tobler, technisches Bureau. Er wartete noch einen Moment, wie um über irgend etwas gewiss sehr Belangloses nachzudenken, dann drückte er auf den Knopf der elektrischen Klingel.‘

Bereits der Anfang von Robert Walsers 1908 erschienenem Roman ist bezeichnend für seinen Protagonisten; beständig hält Joseph Marti inne, um über irgendetwas gewiss sehr Belangloses nachzudenken, beständig wundert er sich, beständig ist er im Zweifel. Im einen Moment macht er sich Vorwürfe, weil er den Niedergang des Hauses, in dem er angestellt wird, nicht aufhalten kann, im nächsten steht er diesem Niedergang vollkommen gleichgültig gegenüber. Dauernd schwankt er zwischen Auflehnung und Unterwürfigkeit, zwischen Entschlossenheit und Kleinmut.

Um die Charakterfestigkeit der anderen Figuren im Roman ist es nicht besser bestellt: Josephs Arbeitgeber springt zwischen überschwänglicher Herzlichkeit und Wutausbrüchen hin und her, seine Frau ist ein einziges Rätsel und Wirsich, Josephs Vorgänger im Amt, ist der personifizierte Wankelmut schlechthin.

Walser beleuchtet seine Figuren in ihren Widersprüchlichkeiten von allen Seiten, zeichnet genaue Psychogramme, ein Sittenbild des beginnenden 20. Jahrhunderts in der Schweiz und des „heimlichfeißen Menschenschlags“, der das „reizende Nest“ bewohnt, in dem der Roman spielt.

Martin Hofer und Heinz Müller bringen in ihrer szenischen Lesung die Widersprüchlichkeiten der Charaktere ebenso exzellent zum Ausdruck wie den feinen Humor in Walsers Roman, den hintergründigen Sprachwitz und die scheinbare Heiterkeit in der Tragik der Handlung. Und: Als gebürtige Schweizer sprechen Sie die Sprache Robert Walsers, und ebenso wie in Walsers Wortschatz und Grammatik klingt sie auch im Hörbuch an: von leicht schweizerischem Tonfall bis hin zum perfekten Schwyzertütsch.