Der Juddebengel

Erzählungen nicht nur für junge Leser

von

… „Huppsala, da liegt ein Judd’ begraben!“, sagte sie in ihrem hessischen Tonfall.
„Hast du dir wehgetan?“
Der alte Schorf am Knie hatte sich etwas rot gefärbt. Es blutete aber nicht. Meine neue kurze Hose und die weißen Kniestrümpfe, mit den Bommeln dran, waren nicht schmutzig.
„Einer wie der da?“ Ich zeigte mit meiner freien Hand auf einen älteren Mann mit einem gelben Stern auf seiner Jacke, der uns entgegenkam.
„Was meinst du?“
„Das ist doch ein Judd’. Liegt da so einer begraben wie der da!?“
„Aber das sagt man doch nur so, eine Redensart halt“, erwiderte meine Mutter etwas ungehalten.
„Man deutet nicht mit dem Finger auf andere Leute!“ zischte sie so laut, dass der Mann mit dem Stern, der inzwischen auf gleicher Höhe mit uns war, es hören musste.
„Auch nicht auf einen Judd’?“
„Nein, auch nicht auf einen Juden. ‚Jude’ heißt das, merk’ dir das, nicht Judd’, das sagt man nur so.“