Das Jahr 2011 hat die Welt der Araber in ihren Grundfesten erschüttert. Vom Atlantik bis zum Arabischen Meer mussten selbstherrliche Autokraten um ihre Macht bangen, weil junge Männer und Frauen auf die Barrikaden gingen; in Tunesien, Ägypten, Libyen und Jemen mussten die Tyrannen weichen. Bald jedoch trat Ernüchterung ein: Ein schneller Wandel, der Freiheit, Würde und soziale Gerechtigkeit bringen sollte, ließ auf sich warten. Die großen Nutznießer des Umbruchs sind die Islamisten. In Ägypten und Tunesien feierten sie bei den Parlamentswahlen grandiose Erfolge. Während in Tunesien der Übergang zu einem demokratisch verfassten System zwar schwierig, aber relativ geordnet verläuft, stellen die Muslimbrüder in Ägypten mit Mohammed Mursi den neuen Präsidenten. Der kann allerdings in zentralen Fragen vorerst nur im Konsens mit dem Militärrat regieren, der nur ein Ziel verfolgt: seine Macht im Staate zu zementieren. Nun steht das zutiefst gespaltene Ägypten vor einem langen Prozess der politischen Neuorientierung. In Libyen, das sich faktisch in drei rivalisierende Regionen aufteilt, ist die Lage unruhig und zuweilen chaotisch, weil es überall im Lande vor unkontrollierten Milizen wimmelt. Der Ausgang des syrischen Krieges wird auch die Entwicklung in der ganzen Region beeinflussen und das künftige Verhältnis zwischen den beiden großen Glaubensgemeinschaften der Muslime, den Sunniten und Schiiten, mitprägen. Der arabische Frühling war kurz, doch er hat viele Fragen aufgeworfen. Der Sturz der Tyrannen und dessen Folgen zwingt die arabische Seele zur Selbsterforschung und Neuorientierung. Es geht dabei auch um die mögliche Trennung von Politik und Religion und damit um die Neubestimmung des politischen Islam. Könnte das auf längere Sicht zu einer islamischen Demokratie führen?
- Veröffentlicht am Montag 8. Oktober 2012 von Kiepenheuer & Witsch
- ISBN: 9783462044072
- 208 Seiten
- Genre: Gesellschaft, Politik, Sachbücher, Wirtschaft