Auch das gesellschaftlich sanktionierte Liebesverhältnis Mann-Frau wird durch das Homosexuelle aller eindeutigen Zweckbestimmung und Verwertbarkeit entrissen und in sich selber begründet und hat so Teil am Ideal. Ausdruck der Mißachtung der Frau, und damit der heterosexuellen Liebe, ist die ausgelassene orgiastische Szene im vierten Gedicht, in der nur Frauen als ‚dirnen‘ ihre körperlichen Reize zeigen, bis Algabal dazwischen tritt und das Fest mit den Worten: ‚Aller ende/Ende das fest!‘ verkündet, woraufhin der Rosensegen folgt. Die Rosen, als heterosexuelles Liebessymbol, sind von purpurner und weißer Farbe; der Farbsymbolik nach ist das Purpurne, das Rote, die Farbe des Weiblichen, während Weiß die Farbe des Männlichen ist. Beide Pole treten nebeneinander auf, bleiben unverbunden und werden auf ihre Wirksamkeit hin befragt: ‚liebkosen‘ sie?, ‚laben‘ sie? Doch das ist nicht ihr Grund, sondern sie sollen ’segnen‘ – nicht zum Leben, denn die Rosen sind ‚Manenküsse‘, sondern zum Tode. Der Kreis schließt sich, auch die Orgie als freies sexuelles Treiben, findet ihren Abschluß im Tod der Beteiligten. Die Rosen sind wirklich fallende und sind zugleich Symbole der Seinsweisen: Das Zusammentreffen von männlich und weiblich führt nicht zur Erfüllung, sondern zur Vernichtung …
- Veröffentlicht am Mittwoch 23. Dezember 1981 von Rimbaud
- ISBN: 9783890869353
- 44 Seiten
- Genre: Belletristik, Essays, Feuilleton, Interviews, Literaturkritik