Der Schatten des Sirius

Gedichte, zweisprachig

von

Der Schatten des Sirius, etwas, das niemand gesehen hat, ist, wie Merwin in einem Inter­view sagte, „reine Metapher, reine Imagination“. Wir selbst sind dieser Schatten, hinter der sichtbaren Welt liegt das, was nicht sichtbar, nicht zu wissen ist. Das Unbekannte ist es, das unser Leben lenkt, und es ist die Aufgabe der Dichtung, sich diesem Unbekannten anzunä­hern, ohne es je zu erreichen, „zu sagen, was unsagbar ist – Liebe, Kum­­­mer, Zorn auszu­drücken – diese Gefühle, die un­aus­drück­bar sind“.

William Stanley Merwin (der für seine Buchpublikationen die Form W.S. Merwin vorzieht) gilt als einer der bedeutendsten amerikanischen Dichter unserer Epoche. Als einziger ame­rikani­scher Dichter erhielt er zweimal den Pulitzer-Preis für Lyrik – den ersten hatte er 1971 wegen des amerikanischen Vorgehens im Vietnamkrieg abgelehnt – eines von vielen Beispielen für sein Engagement in politischen und ökologi­schen Fragen. Einer breiten Leser­schaft in und außerhalb der USA ist er durch die zahlreichen Gedichte be­kannt geworden, die das Magazin The New Yorker vor­ab­gedruckt hat. Im Jahr 2010 wurde Merwin zum Poeta Laureatus der Vereinigten Staaten gewählt.

The Shadow of Sirius ist ein Alterswerk, nicht mehr vorder­grün­dig geprägt von Merwins politischem Engagement und seinen ökologischen Anliegen, obwohl diese noch in einzel­nen Texten zur Sprache kommen. Der lyrische Sprecher ist vom realen Dichter nicht zu trennen, und so stehen im Mittelpunkt Remi­nis­zenzen an Kindheit und Familie, zumal an den stets distan­zierten Vater und die warmherzige Mutter, von der er das Gärtnern lernte, eine lebenslange Lieblingstätigkeit, aber auch Erinnerungen an seine Hunde und an Land­schaften und Men­schen, die er kannte, an Jahreszeiten und die Tiere und Pflan­zen seiner Umgebung. Dennoch haben seine Themen uni­ver­sale Gültigkeit, gestaltet er das Persönli­che zum Re­präsen­ta­ti­ven. Viele Texte sind poetologisch, legen Rechen­schaft ab von seinem Leben als Wortkünstler.