Velouria kennt die Stadt. Manchmal sitzt sie am Fenster und schießt mit ihrer
Wasserpistole auf das Empire State Building. Ihre Freunde kommen und gehen.
Tetra ist neu. Auch sie fühlt die Kraft dieser Stadt und sucht eine Verbindung zu
ihr. Manchmal verschlucken sie die Wellen des Großstadtmeeres.
Tetra findet Velouria. Sie will Velouria sein. Velouria will Tetra. Diese hat Angst
vor Entscheidungen, weil sie die Gründe noch sucht. Velouria kennt die Gründe
doch hat Angst vor dem Suchen.
Als beide loslassen fallen sie in die Zeit, die sie schon miteinander verbrachten
bevor sie sich trafen. In einer Stadt, die jeden Morgen ihr Gestern vergisst und
nicht auf den nächsten Tag wartet. So erleben sich auch die beiden.
Am Sonntagabend versuchte ich mir einzureden,
dass die nächste Woche eine gute werden wird, weil
ich am Nachmittag das Meer gesehen habe.
Am Montag verlor ich meine Monatskarte für die
U-Bahn. Am Dienstag vergaß ich meine Einkaufstüte
an der Kasse im Supermarkt.
Ich fing an zu glauben, dass das Meer
unecht war. Ein Stillleben-Gemälde. Das
Rauschen kam von einem Tonband, irgendwo im
Gebüsch versteckt.
Am Donnerstag machte ich Bekanntschaft
mit Velouria.
(…) aus: Der Schattenflamingo
- Veröffentlicht am Donnerstag 25. Mai 2006 von Czernin
- ISBN: 9783707600919
- 208 Seiten
- Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur (ab 1945)