Der Schleiftrog

von

1977 landete der damals Anfang 30-Jährige mit seinem Roman-Debut ›Der Schleiftrog‹ einen von der Kritik begeistert gefeierten Erstlingserfolg. Kinder war es damals gelungen, die goethesche Gattung des Bildungsromans in die frühe Bundesrepublik zu transponieren. In einem stilsicher modernen Chronistenton verfolgte Kinder die Reifung seines Ich-Erzählers vom Knaben in der britischen Besatzungszone zum prototypischen Jung-Intellektuellen der 60er Jahre: Germanist in Universitäts-Kleinstadt, Marx im Regal, SPD-Parteibuch in der Tasche. Irgendwie blieben sowohl Kinder als auch seine Romantypen in Konstanz hängen, wo der Autor als Akademischer Rat Literaturwissenschaft lehrt und vom anderen Ufer des Überlinger Sees die schriftstellerische Altersmilde Martin Walsers hinüber weht. Dieser Ich-Erzähler Hermann Kinders, der seine Leser durch eine ganze Reihe von Romanen – vom ›Schleiftrog‹ angefangen über Erzählungen wie ›Du musst nur die Laufrichtung ändern‹, und ›Der Mensch, ich Arsch‹ – bis hin zu jenem zeitgenössischen Methusalem auf dem Kölner Friedhof Melaten verfolgen konnten, dieser mit der Bundesrepublik in die Jahre gekommene Romanheld hat einiges mit Martin Walsers behäbig bürgerlichen Helden gemeinsam: Innerlich den wehmütigen Hang zur Weltenfremdung, äußerlich den Bauchansatz und geographisch die Hingezogenheit zur Bodenseelandschaft mit ihrem uneingelösten Versprechen, alles menschliche Auseinanderstreben in natürlicher Harmonie zu befrieden. Bei Hermann Kinder kommt noch ein Schuss galligen Humors hinzu, der an die Protagonisten der neuen Frankfurter Schule – F.W. Bernstein, Robert Gernhard und Eckhard Henscheid – erinnert.‘ (Stephan Detjen / Deutschlandradio)