Deutschland auf Machtwegen

Moralin als Ressource für weltpolitische Ambitionen

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Als die Mauer fiel, hofften viele Menschen auf eine vor allem friedliche Zukunft. Heute stehen deutsche Truppen am Hindukusch und in Mali, versehen Aufgaben einer »Schutztruppe« in Südosteuropa und sind auf Kriegsschiffen auf den Weltmeeren unterwegs. Das vereinte Deutschland wurde zu einer geo-ökonomischen Macht mit globalen Interessen.

Grundlage deutscher Macht in der Welt sind die Kapazitäten der »Exportnation«. Die Bundesregierung scheiterte bei dem Versuch, ihre humane Flüchtlingspolitik des Jahres 2015 in der EU einseitig durchzusetzen, an den regierenden Nationalisten im Osten Europas, die sie zuvor selbst gepäppelt hatte.

Mit dem Aufbau eigenständiger militärischer Kapazitäten der EU sollen nun Möglichkeiten geschaffen werden, auch unabhängig von den USA Militärmacht einsetzen zu können.

Die Bilanz der deutschen Außenpolitik seit der Vereinigung ist zwiespältig. Auf der einen Seite spielt das Land eine aktive und positive Rolle bei Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, Stärkung der UNO und des Multilateralismus. Auf der anderen ist es Vorreiter der Verschlechterung der Beziehungen zu Russland. Deutschland kritisiert Donald Trumps Kündigung des Vertrages über die Mittelstreckenraketen, tut in der NATO aber nichts, um dem wirklich entgegenzutreten.

Dabei wird stets behauptet, deutsche Außenpolitik sei »wertegeleitet«, während auch NATO und EU geopolitische Gegebenheiten sind, die in Konkurrenz zu Russland und China stehen.

Wo Deutschland früher vor allem mit dem Säbel rasselte, versucht es im 21. Jahrhundert, seine weltpolitischen Bestrebungen unter einer Hülle von Moralin und Wertegeschwafel zu verstecken. Zugleich scheinen die deutschen außenpolitischen »Eliten« wieder von ihren eigenen Ambitionen und den rea­len Verhältnissen überfordert. Führt das erneute Hochkommen der »deutschen Frage«, das Gehen auf neuen Machtwegen wieder einmal in die europäische Katastrophe?