Die algerische Verblendung

Roman

von

Der Algerienfranzose Meursault aus Camus’ Roman „Der Fremde“ ist in Ronald Pohls Roman ein Handlungsreisender mitten im algerischen Unabhängigkeitskrieg der frühen 60er Jahre. Seine Wege durch Algier und in die Berge der Kabylei sind ein wahrer Alptraum: die Kolonialgesellschaft zeigt sich von ihrer schlimmsten Seite, die Lächerlichkeit und Verkommenheit der Szenerie ist kaum noch zu überbieten. Mitten in Dreck und Getümmel kommt Meursault hinter das Geheimnis seiner Herkunft.
Wie eine Schmutzflut ergießt sich die Prosa Ronald Pohls kaskadenartig über die Seiten. Eine entfesselte Metaphernmaschine scheint hier am Werk zu sein, die sich über jede politische Korrektheit hinwegsetzt und mit ihren immens gespannten Sätzen die Welt als Wucherung vorführt – oder auch als Verdauungsvorgang. Die Bilder treiben einander an, übertreffen einander, und wie in einem barocken Welttheater verweist diese Beschreibungsfülle auf eine im Kern leere, unmenschliche Welt. Der grimmige Humor der Szenen beschwört das Erbe von Heimito von Doderer herauf und hat wenig mit Albert Camus‘ Existenzialismus gemein.
Was in diesem Roman mit einem der berühmtesten Helden der Literatur des 20. Jhds geschieht, ist buchstäblich atemberaubend: das Absurde, in das Meursault 1942 eintauchte, hat 2007 ein anderes, ein dezidiert politisches Gesicht bekommen!