Die Andere Bibliothek

von

Nein, einen Reisebericht kann man dieses Buch nicht nennen, eher einen Bildungsroman oder einen Selbstversuch. Hier wirft sich ein junger Amerikaner hemmungslos seiner Lieblingsphantasie in die Arme und erlebt ein postkommunistisches Road movie in zwei Versionen: einmal als Filmemacher auf den Spuren des sibirischen Schamanentums, das zweite Mal als Handlanger einer hochstaplerischen Import-Export-Firma. In diesen beiden Rollen verwandelt er sich nicht nur selber, er erfährt auch die Absurdität und den Zerfall der postsowjetischen Welt. Ein wildes Panoptikum von Spekulanten, Auftragskillern, Bürokraten und Alkoholikern tut sich auf. Sullivan gibt sich, frei von jeder Zensur, aber nicht ohne Humor und Zärtlichkeit, dem Aberwitz der Situationen hin, in die er gerät. Selbst dem Horror kann er noch eine Lebenslust abgewinnen, die sich nicht unterkriegen läßt. Und obwohl er mit seinen literarischen Ambitionen hinter dem Berg hält, zeigt sich bald, daß Sullivan keineswegs ein naiver Abenteurer ist, sondern ein hoch reflektierter, ausgebuffter Intellektueller, der es allerdings vorzieht, sein Licht unter den Scheffel zu stellen – ein Trick, der ihm glücklicherweise immer wieder mißlingt. So kommt es, daß in der Brust des Autors mindestens zwei Seelen wohnen. Die eine erinnert an Charles Bukowski, die andere an Robert Musil.