Die Argonauten auf Long Island

Begegnungen mit Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Gershom Scholem und anderen

von ,

Als Monika Plessner 1951 ihren späteren Mann, den Philosophen
und Soziologen Helmuth Plessner, kennenlernte –
mit seinem viel zitierten im Exil entstandenen Buch »Die
verspätete Nation« bekam sein Name publizistische Verbreitung
– tauchte sie in eine ihr bis dahin unbekannte
Welt ein. Ihre Aufzeichnungen vergegenwärtigen die Welt
des deutschen Exils: von Hannah Arendt bis Gershom
Scholem, von Adorno bis Kracauer, von Löwith bis Horkheimer.
Es ist eine intellektuelle Gemeinschaft, die einst die
Weimarer Republik bestimmte. In der Nähe Sils Marias,
im schweizerischen Graubünden, kamen sie wieder zusammen,
die größtenteils jüdischen Emigranten, die im
20. Jahrhundert das intellektuelle Leben Deutschlands
prägten. Eine Begegnung durchdrungen vom Festhalten
und Wiedersuchen der Welt, aus der sie kamen – und die
nicht zurückzuholen ist.

Unvergessen bleibt ein Abend bei Adornos 1952,
bei dem auch die Suhrkamps und Gershom Scholem
eintreffen. Monika Plessner beobachtet genau, bemüht
sich nicht, ihre Eindrücke nach Kriterien von
Pietät und Gerechtigkeit zu ordnen, und auf diese
Weise entstehen Bilder in kräftigen Farben. Das
Grauen von Konzentrationslagern, Krieg und Exil
schimmert durch, aber es werden nie belehrende
Exerzitien.

»Während eines Empfangs, den die New Yorker
„New School for Social Research“ im September
1962 auf Long Island für ihren ersten Theodor-
Heuss-Professor, Helmuth Plessner, gab, stand
ich eine Weile allein und betrachtete das Gruppenbild
vor mir. Die Gäste: deutsche Emigranten,
Gelehrte, Schriftsteller, Künstler, die seit vielen
Jahren in New York lebten … Ein dèjà-vu-Erlebnis
stieg aus der Tiefe auf: Das Gruppenbild, das ich
betrachtete, verwandelte sich in Max Beckmanns
letztes Triptychon „Die Argonauten“.«