Denn das Tor ist weit.
„Was ist nur los mit der Menschheit, dass sie die Bergpredigt seit fast 2000 Jahren überhört?“ Diese Frage, vor allem mit Blick auf den 11. September 2001 und seine Folgen, hat die Autoren nicht losgelassen und sie mündet hier in eine künstlerische Auseinandersetzung, die gelegentlich provokativ erscheinen mag. Sie gerät geradezu zur Zerreißprobe, wenn man den Anspruch eines der eindrucksvollsten christlichen Zeugnisse und unsere Wirklichkeit vor Augen hat.
Die Bergpredigt überhören setzt voraus, sie sei eigentlich doch hörbar und allgemein bekannt, hat sie doch maßgeblich unsere abendländischen Wertvorstellungen beeinflusst bis hin zum Sprachgebrauch. Schließlich zitiert man die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes, wirft nicht gern Perlen vor die Säue und stellt auch sein Licht nicht unter den Scheffel.
Doch lassen wir uns nicht täuschen. Die Bergpredigt hat im Laufe der Zeit ihre richtungsweisende Bedeutung weitgehend verloren. Wir orientieren uns an Trends und Heilsversprechen jeder Art. Nach wie vor gehen wir durch das weite Tor, so als sei nie davor gewarnt worden. Im Grunde scheint die Bergpredigt heute nur noch wenigen etwas zu sagen. Dieser bedauerliche Zustand kommt jedoch nicht von ungefähr und hat viele Wurzeln.
Unter anderem werden biblische Texte oft sehr unleserlich angeboten. Früher hielten mündliche Überlieferung und mündlicher Vortrag den Text frisch, er lebte von der Erzählkunst des Vortragenden, von dessen Mimik und Gestik.
Auch die frühen schriftlichen Zeugnisse der Bibel hatten viel Ausstrahlung, verfügten doch die Schreiber und Miniaturenmaler über großes künstlerisches Geschick. Das machte auch die biblischen Aussagen wertvoll.
Erst die ökonomischen Zwänge des späteren Gutenberg-Zeitalters verwandelten den so bedeutenden ursprünglichen Nachlass häufig in ein Dokument, das Gedanken an ein Telefonbuch aufkommen lässt. Womöglich kam so auch ein Prozess der inhaltlichen Entwertung in Gang.
Hier nun setzen die Autoren an, um diesen Missstand abzumildern. Einerseits wird die Bergpredigt aus den Bleiwüsten üblicher Bibelausgaben herausgenommen, andererseits wird den jeweiligen Sinnabschnitten der nötige Raum gegeben, um sich leichter mit dem Text vertraut zu machen. Herausgehobene Textstellen und deutlich gegliederte Textabschnitte helfen dabei zusätzlich, sich innerhalb der Bergpredigt zurechtzufinden.
Das tun auch die Bilder. Auf den ersten Blick folgen sie der bekannten Tradition, Texte zu illustrieren. Darüber hinaus aber erleben wir eine Auseinandersetzung im Spannungsfeld von Anspruch der Bergpredigt und unserer Wirklichkeit. Dies findet seinen Niederschlag in Skizzen, die hin und wieder an ihrer inneren Gegensätzlichkeit zu zerbrechen drohen. Gewiss beschreiben diese Bilder, die zuhauf bekannte Klischees zitieren, subjektiv unser Ist gegenüber dem Ich aber sage Euch. Den Bibeltext auslegen wollen die Bilder aber nicht. Eher können sie als Anregung verstanden werden, sich auf jeweils eigene Weise mit der Bergpredigt zu beschäftigen. Kurt Fütterer
- Veröffentlicht am Dienstag 15. Oktober 2024 von Fütterer, Dirk
- ISBN: 9783000197901
- 72 Seiten
- Genre: Hardcover, Kunst, Softcover