Die Eleanor H. Hinman Interviews über das Leben und den Tod von Crazy Horse

von der amerikanischen Journalistin Eleanor H. Hinman aus dem Jahre 1930 mit indianischen Überlebenden der Kriege des 19. Jahrhunderts und Zeitgenossen des Oglala-Führers Crazy Horse (Tashunka Witko)

von

Meine Interviews mit He Dog, Short Bull und den anderen alten Oglala-Sioux über die vergangenen Zeiten und über das Leben und den Tod von Crazy Horse gehören zu meinen wertvollsten Erlebnissen. Ich war überrascht von der Lebendigkeit der Erinnerungen meiner Gesprächspartner, über die Genauigkeit ihrer Angaben, wenn sie sich wirklich überprüfen ließen und über ihre Freundlichkeit, wenn sie einem vertrauten. Vor allem aber beeindruckte mich ihr Großmut, mit dem sie zwei weißen Frauen über Ereignisse berichteten, die größten emotionalen Einfluss auf sie haben mussten.
Insbesondere He Dog war beim Zitieren seiner Quellen umsichtig wie ein studierter Historiker: „Ich war dort und sah es …“ oder „Ich war nicht dabei, aber meine Freunde So-und-So und Der-und-Der erzählten mir …“ oder „Niemand weiß es wirklich, aber das Volk glaubt, dass …“ usw.
Eine charmante Sache, die im Buch nicht wiedergegeben werden kann, geschah manchmal, wenn He Dog völlig vertieft in seine Erzählungen, diese mit der Zeichensprache untermalte, die allen indianischen Völkern zu eigen ist.
Er war 94 Jahre alt, blind und von schwerer Arthritis in den Beinen gezeichnet, aber seine Gesten und Handzeichen waren wunderschön und präzise wie ein Ballett.
Eine Sache war mir während der Interviews ständig in Gedanken. Ich sprach mit Männern die Dinge gesehen und ertragen hatten, von denen ich glaube, dass sie niemand meiner Nation je erdulden musste. Sie sahen nicht nur, wie die meisten ihres Stammes förmlich abgeschlachtet wurden, an Unterernährung, den Krankheiten des Weißen Mannes starben oder in reiner Verzweiflung lebten. Sie mussten ebenfalls erleben, wie ihre gesamte Art zu leben ausgelöscht wurde: die fast vollständige Vernichtung der ökonomischen Grundlage, der Büffel und anderer Wildtiere, ihrer Stammesorganisation, ihrer indigenen Religion, welche keines Wegs von niederer Art war, sondern letztlich Ausdruck ihrer tiefen Naturverbundenheit, ihre Kriegermoral, welche trotz aller Unzulänglichkeiten hohe Ideale vertrat und nicht grausamer oder zerstörerischer war, als unsere eigene, wie sich am 19. und 20. Jahrhundert beweisen lässt. … und trotzdem waren diese Menschen nicht von Hass zerfressen. Selbst in ihrem Alter und körperlichem Zustand, waren sie immer noch genug Mensch, zwei fremden weißen Frauen, welche der Rasse angehören, die verantwortlich ist für ihren Leidensweg, freundlich und höflich gegenüberzutreten.
Als ich mich das letzte Mal von He Dog verabschiedete, ein Abschied für immer, sagte er zu mir: „Betrachte mich als deinen Großvater.“ Ich bin sehr stolz drauf.

Danke an Mary Sandoz, die mich während der Interviews begleitete; an Helen Blish, Tochter eines ehemaligen Schulinspektors auf der Pine Ridge Reservation, die uns die unersetzlichen Dienste des Dolmetschers John Colhoff vermittelte. Ein Dolmetscher, welcher das Vertrauen der Befragten besaß, was für die Interviews von grundlegender Bedeutung ist. John, (er lehnte es ab „Mister Colhoff“ genannt zu werden, da „Mister“ auf der Reservation als Beleidigung verstanden wurde), war an den Geschichten genauso ernsthaft interessiert wie Mari oder ich selbst. Eine Bezahlung lehnte er als beleidigend ab, und er und Mari bewahrten mich vor vielen Benimmfehlern im Umgang mit den Sioux, deren Regeln sehr sensibel aber doch so verschieden von den unseren sind.