Die gemusterte Nacht

Erzählungen

von

Anfangs: eine noch unbestimmt Faszination durch die schwer benennbare Intensität des Erzählens. Ist es die Eindringlichkeit der Bilder, der Rhythmus der Sätze? Etwas drängt auf Fortgang und versetzt den Leser gleich zu Beginn in eine eigentümliche Spannung, in eine Erregung, die aus dem Stoff der Erzählung nicht stammen kann, denn der ist alltäglich. Dann, im Weiterlesen, bemerkt man, wie es der genaue Blick der Autorin ist, der die Gegenstände der Erzählung zur Transparenz bringt, ein Hinblicken und Nachforschen, das sich nicht begnügen will mit Literaturwörtern, die schnell zur Hand sind. Statt dessen eine Beharrlichkeit der Anschauung, ein begieriges Auffrischen und Aufrauhen an der widerspenstigen Wirklichkeit, daß die Sprache nirgendwo preziös, kostbar wird. Es herrscht eine ruhige Heftigkeit des Tons, die mit der charakteristischen Wendung »beaufsichtigte Raserei« benannt werden könnte.

Schließlich, oft erst im Wiederlesen (das bei diesen unaufdringlich vielschichtigen Erzählungen eine eigene, neue Lust ist), nähert sich der Leser einem weiteren Grund seiner Faszination. Wenn ihn die Geschichten so unmittelbar ansprechen und beschäftigen, ist das nirgends der falschen Intimität von Bekenntnis- und Aussprechliteratur zuzurechnen: das »Ich« der Geschichten beansprucht keine Einfühlung; wenn es auch ohne Umschweife der Gegenwärtigkeit einer Erzählsituation herbeiführt, bleibt es doch in der Radikalität seiner Wahrnehmungen, in seiner »ausschweifenden Einseitigkeit« dem Leser als etwas Fremdes gegenüber. Sich selbst kommt der Leser auf die Spur, den Vertracktheiten seiner Wirklichkeitsbewältigung, seinen alltäglichen Bedürfnissen nach Deutung, bemerkt er im Lesen seine Lust an perspektivischen Zuspitzungen, an Dramaturgie und Komposition einer Kronauer-Geschichte. So entdeckt er, wie die Formen ihres Erzählens vital mit seinen eigenen Erlebniswelten und Erlebniswünschen verknüpft sind.