Das Volk hat ein feines Gefühl für sein Brauchtum und empfindet sehr wohl, dass seine Überlieferungen eines tieferen Grundes nicht entbehren. Manches mag zwar durch eine missverstandene, (und vom heutigen Standpunkt aus gesehen) fehlinterpretierte und einseitige Naturbeobachtung entstanden sein, die einzig durch erstarrte und gleichsam versteinerte sittliche und ethische Überlieferungen und nur durch das tagtägliche Anwenden und Praktizieren überlebten. Dennoch leben viele dieser Praktiken bis heute fort, meist weitergegeben von den Eltern auf die Kinder – doch die Wurzeln und Ursprünge verloren sich im Laufe der Zeit bei der Weitergabe von einer Generation zur nächsten. Deshalb steht die Mythologie in jeder Richtung, mit der Vergangenheit so auch unmittelbar immer mit der Gegenwart, in Verbindung.
„Deshalb meinen wir, was den wahren Lebenskeim in sich trägt, das stirbt nie und es ist in höherem Sinn ganz gleichgültig, ob sich etwas heute oder vor tausend Jahren zugetragen hat. Oft kommt das was heute geschieht, schon totgeboren ans Licht der Welt. Was aber in alter Zeit hervorgebracht, wirkt fort, sodass heutige Menschen dadurch wieder zum Handeln und lebendigen Wirken angeregt werden. So gebiert, was vergangen schien, ein neues Leben, und nach einer bedeutungsvollen nordischen Mythe würde der Baum der Zeit schon lange verdorrt sein, wenn er nicht aus dem Brunnen der Urdhr d. h. aus dem Borne der vergangenen Welt täglich wieder mit neuem Wasser begossen und erfrischt worden wäre.“ (Mannhardt)
- Veröffentlicht am Montag 1. März 2010 von Bohmeier, J
- ISBN: 9783890946313
- 264 Seiten
- Genre: Geschichte, Sachbücher, Sonstiges