Die Identitätsfalle

Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt

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Gibt es einen „Krieg der Kulturen“ zwischen dem Westen und dem Islam? Die einen sagen, wir sind bereits mitten in diesem Krieg, die anderen hoffen, den Konflikt durch einen Dialog der Kulturen entschärfen zu können. Amartya Sen zeigt in seinem Buch, daß die falsche Illusion einer einzigen Identität diesen „Krieg der Kulturen“ konstruiert und zugleich fatal vorantreibt.
Während die Welt zunehmend aufgeteilt wird in Blöcke aus Religionen, Kulturen oder Zivilisationen, geraten uns andere Faktoren des menschlichen Daseins wie Klasse, Geschlecht, Bildung, Beruf, Sprache, Kunst, Wissenschaft, Moral oder Politik immer mehr aus dem Blick. Globale Bemühungen, der eskalierenden Gewalt Einhalt zu gebieten, scheitern zudem an einer Konzeptlosigkeit, die das direkte Resultat dieser undifferenzierten und eindimensionalen Konstruktion von Identität ist. Wenn die Beziehungen zwischen menschlichen Individuen auf einen „Krieg der Kulturen“ reduziert werden, dann schnappt die „Identitätsfalle“ zu. Menschen, die eine Fülle von Identitätsmerkmalen haben, werden auf ein einziges reduziert und verschwinden in kleinen übersichtlichen Schubladen. Das Geschäft der Fundamentalisten besteht in dieser Miniaturisierung menschlicher Existenz, mit der alle Ideologie der Gewalt ihren Anfang nimmt. Doch Amartya Sen zeigt nicht nur, wie die Spirale aus Identität und Gewalt entsteht, sondern auch, wie sie durchbrochen werden kann. Denn niemand ist zu einer einzigen Identität verdammt, jeder kann seine Persönlichkeit gestalten und mitbestimmen. Sens brillante Analyse von Multikulturalismus, Postkolonialismus, Fundamentalismus, Terrorismus und Globalisierung macht vor allem eines klar: Die Welt kann sich ebenso in Richtung Frieden bewegen, wie sie jetzt auf Gewalt und Krieg hinzusteuern scheint.