Die Kunst des Begehrens

Dekandenz, Sinnlichkeit und Askese

von

Verführung, Begehren, und sinnliche Intensität sind nie unmittelbar zu haben, sondern artifiziell, raffiniert, und kunstvoll inszeniert. In vierzehn Kapiteln entfaltet Niklaus Largier diese These und illustriert sie mit Beispielen aus Kulturgeschichte, Literatur, Kunst und Film. Der Bogen, den er spannt, reicht von der Evokation verführerischer Bilder in mittelalterlichen Heiligenviten bis zu den Filmen von Luis Buñuel und der Literatur von Charles Baudelaire, Joris-Karl Huysmans und Georges Bataille, von den geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola bis zu den pornographischen Phantasien des Marquis de Sade, vom Kunstgenuß frühneuzeitlicher Stilleben bis zum Kult sinnlicher Erfahrung in der postmodernen Küche. Das Thema dieses Buches ist der Kult exquisiten, dekadenten Genusses: die exzentrische Lust an ausgewählten Delikatessen, die Hingabe an den intensiven Reiz artifizieller Paradiese, die Vorliebe für sinnliche Vergnügen. Der legendäre Genuß einer Flasche Chateau d’Yquem mit Roquefort. Die vom Stabat Mater evozierte Stimmung exquisiter Wehmut. Eine laszive Berührung. Und vor allem die lange Geschichte der Lust in der Askese, die im Urteil der aufgeklärten Moderne als „überreizt“ bezeichnet wurde. Die dekadenten Literaten des späten 19. Jahrhunderts, die sich ein imaginäres Rom des morbiden Zerfalls zum Vorbild nahmen und mit Begeisterung mittelalterliche Heiligenviten lasen, waren sich denn auch einig darin, daß die delikatesten Genüsse nur dort zu finden sind, wo sie – wie in der Askese – mit der Auflehnung gegen die Natur einhergehen. Nur in der Apotheose des Begehrens finden sich der Asket und der Genießer in die Lage versetzt, im künstlichen Paradies das maßvolle Vergnügen des bürgerlichen Gefühlshaushalts und die melancholische Langeweile des modernen Lebens zu überwinden.