Berlioz war ein armer, kranker Mensch, der gegen alle wütete, heftig und bösartig war. Seine Begabung war sehr reich und mächtig; er hatte den Sinn fürs Orchester und wußte um viele Instrumentalwirkungen vor Wagner (die Wagnerianer geben das nicht zu, aber es ist so). Er konnte sich nicht mäßigen; es fehlte ihm die Ruhe, und ich möchte sagen, die Ausgewogenheit, aus der sich erst vollendete Kunstwerke ergeben. Er ging immer über die Grenzen, auch wenn er sonst Löbliches zustande brachte. Seine Pariser Gegenwartserfolge sind zu einem guten Teil gerecht und verdient; aber sie sind noch mehr auch Reaktion. Man hat ihm bei Lebzeiten so übel mitgespielt … Jetzt ist er eben tot: Hosianna!! (Guiseppe Verdi)
Gerade weil er sich in seiner Musik um das Farbige und Erzählende mühte, haben sich die Maler besonders zu Berlioz hingezogen gefühlt. Man kann sogar ohne Ironie behaupten, daß er immer der Lieblingskomponist aller derer gewesen ist, die nicht viel von der Musik verstehen… Denn die Leute vom Fach entsetzten sich über die Freiheiten, die er sich in der Harmonik erlaubt (sie nennen sie sogar “ungekonnt”), und sein Sich-gehen-lassen in der Form. Liegt es daran, daß er so gut wie keinen Einfluß auf die moderne Musik gehabt hat, und ist er darum in mancher Beziehung einmalig geblieben? (Claude Debussy)
Zu sagen, kein Musiker sei weniger bekannt als Berlioz, mag paradox klingen. Jedermann glaubt ihn zu kennen. Lärmender Ruhm umgibt seine Person und sein Werk. Das musikalische Europa hat seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Deutschland macht Frankreich den Ruhm streitig, sein Genie geformt und gefördert zu haben. Rußland bereitete ihm einen triumphalen Empfang, der ihn über die Gleichgültigkeit und Feindseligkeit von Paris tröstete, und es hat durch den Mund Balakirews gesagt, er sei der „einzige französische Musiker“ gewesen. Seine bedeutendsten Kompositionen werden immer wieder aufgeführt, und manche unter ihnen haben die seltene Eigenschaft, gleichzeitig zur Elite zu sprechen und zur Masse; einige genießen größte Popularität. Viele Studien wurden ihm gewidmet. Er selbst hat sich in zahlreichen Arbeiten beschrieben und kommentiert. Sogar sein Gesicht ist volkstümlich geworden, und wer es einmal gesehen hat, wird es nicht wieder vergessen. Es ist wie seine Musik, so auffallend, so singulär, und es scheint, daß ein Blick genügen müsse, seinen Sinn zu ergründen: nichts von Hintergedanken, nichts von geheimnisvollen Tiefen, nichts von Wolken in dieser Seele und in diesem Werk. Berlioz zu verstehen, dazu be¬darf es keiner Einweihung, wie bei Wagner: von Anfang an ist man sein Freund oder sein Feind, und der erste Eindruck bleibt entscheidend. (Romain Rolland)
- Veröffentlicht am Freitag 1. September 2017 von Schwarzwasser Verlag
- ISBN: 9783940800961
- 103 Seiten
- Genre: Belletristik, Romanhafte Biografien