Die Mission der Poesie

Roman

von

„Mehr als die abgeklärte Altersschau ist es die in steter meditativer Übung jung gebliebene Seele des Dichters, die auch seinen neuen Band durchstrahlt. Es ist das 70. Buch des nun 78jährigen Geistesforschers – schon dem Umfang nach ein außergewöhnliches Lebenswerk, das noch gewaltiger wird, wenn man weiß, daß jeder einzelne niedergeschriebene Satz die Frucht eines langen Erkenntnisweges und Reifeprozesses darstellt. Der fast aszetische Duktus in den unmittelbar vorangegangenen, letzten Werken wird hier jedoch wohltuend erwärmt durch viele persönliche Erlebnisse, die tief ins Diesseits eintauchen.
Wiederum wählt Steffen für seine Aussage die Form der Abbreviaturen: es sind Beobachtungen im Garten, es sind sittlich gewordene Farbwirkungen, die der Goetheschüler erlauscht, es ist ein Blick zu den Gestirnen, Verkettungen der Schicksale in wenige Zeilen oder wenige Seiten zusammengefaßt, die der Autor sammelt, sichtet und künstlerisch gestaltet. Die verbindende Handlung aber muß der Leser im Reich des Geistes selber suchen oder besser: an sich selber nachvollziehen. Albert Steffen macht wohl Wahrträume für den Wachenden fruchtbar, zeigt an Hand von Miniaturen den Zusammenhang von Schicksalsgesetzen, und er läßt unsere Mitverantwortung für den Nächsten aus einem sonst verborgenen Rhythmus von Ursache und Wirkung deutlich werden. Jedoch den letzten Gewinn schöpft doch nur der aus dem Buch, dem es Anstoß zur eigenen Wandlung wird.
In Tagen der Verzweiflung ist dieses Werk, das durch den Tod der Frau des Dichters seine Impulse und Akzente erhielt, besonders hilfreich, weil es uns hinführt zu einer Wirklichkeit, die unzerstörbar ist, und weil der Glaube Albert Steffens an die Läuterung des Menschen durch die Kraft des göttlichen Wortes – im Sinne von Joh. 15,3 uns auf jeder Seite hebt und zugleich beglückt. Poesie als Ausfluß einer umfassenden, das ganze Weltall und alle Zeitenkreise durchschwebenden Harmonie strömt hier nieder auf unseren Erdenweg und gibt ihm jene Farben zurück, die er besaß, ehe das Grau des Intellektes sich seiner bemächtigte.“ (P.H. in „Neue Berner Zeitung“, Sonntags-Illustrierte Nr. 287, 8./9.12.1962)
Inhalt: Schüler des Schicksals / Malerisches Intermezzo / Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.