Die rote Lene

Roman

von

Sie war so ganz anders, die Lene. Verlacht und verspottet wurde sie, die Rothaarige, ausgeschlossen aus der Dorfgemeinschaft. Auch in der eigenen Familie war sie eine Fremde. Hexe schimpfte man sie, die mit dem Teufel im Bunde stand. Auch reden wollte sie nicht, war still und kümmerte sich nicht um das Gerede der Leute, und auch die Häme ihrer Familie nahm sie stillduldend hin.
Nur einer war in dem Dorf, Klaas, auch er ein wenig anders als die übrigen Dorfkinder, ganz blond und einer, der sie verstand. Mit ihm konnte sie auf ihrem Apfelbaum in die Wolken gucken und schweigen. Aber er fühlte sich zu Höherem berufen, wollte studieren, und so verloren sie sich für einige Zeit aus den Augen.
Und dann kam Rudi. Plötzlich stand er eines Tages vor ihr, als sie wie so oft auf ihrem geheimen Wiesenplatz den Blumen und Insekten nachschaute. Vornehm sah er aus, kam aus der Stadt und war zur Erholung bei Westerwälder Verwandten zu Gast. Mit Rudi wurde
alles anders. Mit ihm zogen unbeschreibliches Glück und unsagbarer Schmerz in ihr Leben.
Sie folgte dem Fabrikantensohn nach Köln, weil sie heiraten wollten, auch gegen den Widerstand ihrer beiden Eltern. Der Preis für die Einwilligung von Rudis Eltern war hoch: Aus Lene wurde Magda, aus der wilden Bauerstochter eine bildschöne, modisch gekleidete Frau – der ganze Stolz ihres Mannes, der nicht begreifen wollte, wie seine einst so strahlend fröhliche Lene in den darauffolgenden Jahren als Magda immer mehr neben ihm zu verkümmern begann.
Es sind nur wenige Menschen, die Lenes Geschichte begleiten: Klaas, der später Pastor wurde, Louise, die auch aus dem gemeinsamen Dorf nach Köln gezogen war, Peter, der ältere Bruder, für den Lene seit ihrer heimlichen Flucht gestorben war, und Rudi, ihr Mann, der sie partout nicht verstand und sie am Ende ihrem Schicksal überließ. Sie alle und Lene selbst lässt Renate Habets in ihrem Buch erzählen, wie das war in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg im westerwäldischen Mittelhof und vor allem in Köln, wo sich Lenes Lebenskräfte inmitten des großstädtischen Treibens allmählich aufzehrten. Und wie sie am Ende doch noch ihren Frieden und zu sich selber findet.