‚Die Taschen waren voller Geld‘

Hafen- und Rotlichtgeschichten von der Bremer 'Küste'

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Es war in der Zeit, als das tiefe Tuten der großen Seeschiffe noch so zum Bremer Westen gehörte wie Vogelgezwitscher zum Bürgerpark. Rund um die Uhr strömten Tausende Arbeiter tagtäglich in die Häfen – und viele Matrosen und andere Freunde des Rotlichts in die nahe beim Holz- und Fabrikenhafen gelegene ‚Küste‘ zu beiden Seiten der Nordstraße in Höhe Waller Ring. Dort pulsierte das Thekenleben: Vom ‚Arizona‘ über das ‚Krokodil ‚ bis zum berühmt-berüchtigten ‚Golden City‘ reihten sich mehr als dreißig Lokale aneinander. Bis zum Umfallen wurde gesoffen und gehurt. Und gearbeitet wurde dort auch: Die Bardamen, Kellner, Huren, Zuhälter, Mietwagenfahrer und Musiker verdienten gut und hielten in erfolgreichen Zeiten zusammen wie eine große Familie. Und das bürgerliche Bremen rieb sich die Augen als es sah, was in ‚Klein-St. Pauli‘ geschah. Man erkannte die böse Kehrseite des Wirtschaftswunders, Kulturlosigkeit und den vollkommenen Verfall von Sitten und Moral. Aber: Nicht nur von den Vertretern der Hafenwirtschaft wurde dieses Ventil, wo Dampf, Geld und vieles andere abgelassen wurde, stillschweigend akzeptiert …
So konnte das Bremer Feiervolk sich weiter, zum Beispiel in der ‚Bambus-Bar‘, bis morgens früh in Fünferreihen um die Theke drängeln, während wenige Meter weiter findige Gartenbesitzer Hühnerställe an Prostituierte als Geschäftsraum vermieteten und fröhlich weiter die Strichlisten verlängerten. Mit dem Siegeszug des Containers und der Einführung des Girokontos ging die wilde Dauerparty im Laufe der 1970er Jahre allmählich zu Ende, die meisten Lokale fielen dem Ausbau der Nordstraße zum Opfer.
Frauke Wilhelm hat jahrelang Zeitzeugen interviewt, Fotos gesammelt und viele Polizei- und Presseberichte gelesen. Wer die unglaublichen Geschichten vom Seemann mit den 30 Verlobungsringen, von Koffer-Else und ‚Arco‘, dem Zuhälter-Schäferhund, von kleinen Ganoven und großen Schlägereien noch nicht kennt, wird dieses wunderbare Geschichtsbuch von Frauke Wilhelm nicht aus der Hand legen, ehe es ausgelesen ist.