(Aus der Einleitung)
Vor hundert Jahren (1906) wurden die heute denkmalgeschützten Wandmalereien am Haus Bleicherweg 45 in Zürich-Enge vom vergessenen und nun wiederentdeckten Wahlzürcher Antonio De Grada (1858-1938) geschaffen. Die Fassadengestaltung gilt als eines der besten Zeugnisse des Jugendstils in Zürich und soll dieses Jahr restauriert werden.
Die Witterung hat im Laufe der Zeit den Secco-Malereien arg zugesetzt, so dass sich eine Restaurierung aufdrängt. Denkmalpfleger und Besitzer haben sie für das Jahr 2006 vorgesehen. Der hundert-jährige Geburtstag gibt eine schöne Gelegenheit dazu, sich die Jugendstilfassade etwas genauer anzusehen.
Dem Betrachter fallen vor allem die von Blumen und Ranken umgebenen märchen-haften Frauenfiguren ins Auge. Die seit der Antike in Menschengestalt abgebildeten „Vier Tageszeiten“ wurden über die Jahrhunderte hinweg von Künstlern immer wieder gern aufgegriffen. Ihr Erscheinungs-bild hat sich häufig gewandelt, aber geblieben sind über die verschiedenen Kunstepochen hinweg solche Attribute wie Hahn, Eule, Mohnblume und Mondsichel. Dass sich de Grada mit dem ewigen Lauf der Zeit beschäftigt hat, zeigt etwa das Deckengemälde im Haus Bleicherweg 41: Die am blauen Himmel schwebende Schicksalsgöttin (Klotho) aus der griechi-schen Mythologie hält den Lebensfaden in der Hand.
Die Wiederaufnahme von Elementen und Symbolen wie Sonne, Tag (Leben), Mond, Nacht (Tod), der Nachbarhäuser in die Fassadenmalereien lassen ein dichtes Netzwerk von Querverbindungen entstehen. So fügt sich das chronologisch gesehen letzte Werk perfekt in den architektonischen Kontext der Häuserzeile Bleicherweg 37 bis 47 ein: Die Fassadengestaltung der „Vier Tageszeiten“ kann somit als Schlussstein und Schlüsselwerk im Gesamtkunstwerk der ganzen Häuser-zeile gedeutet werden. Nicht nur Antonio de Grada, sondern auch die Erbauer, die renommierte Architekturfirma Chiodera & Tschudy, hat damit ein für Zürich einzig-artiges Werk geschaffen und sich zugleich ein Denkmal gesetzt.