Die Zukunft liegt in jedem Augenblick

Mein Leben

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‚Leben ist nicht ein Problem, das gelöst, sondern ein Geheimnis, das gelebt werden muss.‘ Von diesem Geheimnis erzählt uns Harald Pawlowski in seinem Buch. Und er erzählt von dem 83-jährigen Papst Johannes dem XXIII., ‚einem der jugendlichsten Menschen, die ich je getroffen habe‘, von Oswald Nell-Breuning, ‚meinem Freund von Anfang an‘, und von Karl Rahner, der sich an die Spitze der Protestbewegung setzte, als es hieß: Publik ist tot.

Erzählen Sie weiter, ‚lieber Pawlo‘: von der Operation Hoffnung des brasilianischen Erzbischofs Helder Camara, von Willy Brandt, Herbert Wehner und Konrad Adenauer, oder wie Sie Kardinal Döpfner zuriefen: ‚Der Stier wird sich verrennen.‘

Er erzählt. Uns zuliebe. Seine Erinnerungen werden zu unseren Erinnerungen. Darin spiegelt sich die Geschichte einer ganzen Epoche eines kritischen Katholizismus, der mit Leidenschaft den christlichen Geist der Unterscheidung und der Gemeinschaft sucht. ‚Jeder von uns kann in jedem Augenblick eine neue Zukunft eröffnen.‘

Publik-Forum, das heißt für ihn, den Gründer und jahrzehnte-langen Chefredakteur: Dialog und Toleranz. Niemals lauwarm. Immer mit heißem Herzen und brennender Ungeduld.

Der Zukunft Beine machen, das möchte er weiterhin. Er, der einst das Maurerhandwerk erlernte, träumte ursprünglich davon, Bildhauer zu werden, dann Baumeister und Städteplaner. Schließlich wurde er von allem etwas und noch mehr: ein Visionär, ein Zukunftsplaner, ein Baumeister an einer gerechteren Welt, der den aufrechten Gang immer solidarisch mit denen ‚unten‘ gegangen ist.

Inhalt

Vorwort von Hans Küng 9
Trotz alledem 13
Erste Jahre meiner Kindheit 19
Hitler-Pimpf im Weltkrieg 39
Ende und Neubeginn 84
Hungern und Hamstern 100
Bauarbeiter, Jugendleiter und Student 104
Ausflug in die Parteipolitik 146
Lernziel Zivilcourage 164
Ausschluss aus der CDU 178
Verliebt, verlobt, verheiratet 185
Der Wechsel zum ‚Spiegel‘ 199
Journalist in Bonn 207
Familienleben hinter den sieben Bergen 218
Publik – die ganz andere Wochenzeitung 225
Ein außergewöhnliches Erlebnis von Kirche 270
Der Tod von Publik und die Geburt von Publik-Forum 296
Der ‚Weg von unten‘ 303
Der alte Mann und der Mehrwert 356
Gegensätze: Kapital und Arbeit, Ost und West 365
Als Polen noch ‚Volkspolen‘ hieß 370
Der Scharfmacher von Fulda 379
Im Bäckerhaus der Krebsmühle 388
Stabwechsel 393
Mein Bewusstsein im Wandel 396
Mein kritischer Rückblick 407

Fotos Buchmitte

Vorwort von Hans Küng
Was sich auf See abspielt bei stürmischer Fahrt, erzählt sich anders vom Ufer aus als direkt vom Schiff. Und anders berichtet der Matrose, der Schiffskoch oder der Steuermann, der die Verantwortung trägt. In diesen Lebenserinnerungen hier erzählt der Steuermann selber, der das Schiff, sein Schiff ‚Publik-Forum‘, über drei Jahrzehnte sicher und unerschrocken durch eine kaum je ruhige See geführt hat.
Publik-Forum: Ja, was wären die kritischen Katholiken ohne ihre (inzwischen ökumenisch ausgerichtete) Zeitschrift. Und was wäre diese Zeitschrift ohne ihren Initiator, Inspirator und Redaktor Harald Pawlowski, der nach dem von den deutschen Bischöfen 1968 finanzierten und schon 1971 torpedierten publizistischen Großsegler ‚Publik‘ die schlanke und wendige kleine Fregatte ‚Publik-Forum‘ schuf: mit anfangs 6000, heute 40 000 Abonnenten, die innerhalb der Kirche sicher nicht zu den braven Mitläufern, sondern eher zu den vielfach Engagierten zählen.
Natürlich war Harald Pawlowski in Publik-Forum nie allein auf Deck, viele standen neben ihm, und er nennt in seinem Lebensbericht wichtige Namen. Aber die Redaktion führte er viele Jahre lang allein, dann zu zweit, erst später kamen mehrere hinzu. Heute ist es eine stattliche Equipe von 27 Frauen und Männern in Redaktion und Verlag. Ganz deutlich wird bei dieser Geschichte, dass ein solch wichtiges Unternehmen nicht nur Geld braucht, das meist schwierig aufzutreiben ist, sondern auch und vor allem einen Kopf, der oft noch schwieriger zu finden ist.
Mit Harald Pawlowski hatte Publik-Forum den Kopf, der zwar nie durch die Wand wollte, der aber dickschädelig genug war, um Bischöfen und Politikern, Pressionen von rechts und auch von links zu widerstehen.
Ein Kopf, der bei allem Idealismus nie ins Schwärmen geriet, sondern nüchtern, klar und vor allem zukunftsorientiert dachte.
Ein Kopf, der nie egozentrisch, für persönliches Prestige arbeitete, sondern mit vollem persönlichem Engagement für die gemeinsame christliche Sache.
Ein Kopf, der gut vorbereitet war auf seine große Aufgabe durch seine Tätigkeit bei ‚Spiegel‘ und KNA, der seine Zugehörigkeit zur Gewerkschaftsbewegung nie verleugnete und der trotz gewisser Linkslastigkeit sein Schiff nicht nach links kippen ließ, sondern stets um einen ‚Mitte-links-Kurs‘ bemüht war.
Ein Kopf schließlich, dem in schöpferischer Fantasie immer wieder Originelles für seine Zeitung einfiel, der weit vorausplante und sich neuen Themen öffnete.
Doch lesen Sie selber.
Lesen Sie die spannende Lebensgeschichte von einem Steh-auf-Mann, der in einer über 50-jährigen Ehe von seiner Frau Hildegard bewundernswert unterstützt wurde.
Lesen Sie die erstaunliche Geschichte einer außerordentlichen Zeitschrift, von der nur wenige annahmen, dass sie sich gegen den Koloss Amtskirche länger halten und sich gar als weithin gehörte Opposition etablieren könnte.
Lesen Sie die dramatische Geschichte der neuesten Kirchenepoche: wenn Sie jünger sind, um von der Vergangenheit her die Gegenwart besser zu verstehen; wenn Sie zur älteren Generation gehören, um wie ich mit heißem Herzen sich an viel gemeinsam Erlebtes zu erinnern und an der Zukunft dieser Kirche nicht zu verzweifeln.
Lesen Sie und freuen Sie sich über eine große publizistische Erfolgsgeschichte und helfen Sie diesem für die kirchliche Reform segelnden Schiff, dessen Leitung der Steuermann jetzt in andere Hände gelegt hat, ohne es aus den Augen zu verlieren.
Zu beinahe jedem Kapitel seit den 60er Jahren könnte ich vieles aus eigenem Erleben beisteuern, aber im zweiten Teil meiner eigenen Lebenserinnerungen werde ich dazu genügend Gelegenheit haben. So bleibt mir der persönliche Dank an den Autor, der sich in der Debatte um die ‚Unfehlbarkeit‘ des Papstes in den 1970er Jahren an meine Seite stellte, und der ‚meine‘ Anliegen immer wieder aufgenommen hat, von der ‚Kirche von unten‘ über die neue Interpretation des ‚Credo‘ bis hin zu dem ihm neuen Problemkreis ‚Weltfrieden – Weltreligionen – Weltethos‘. Möge es ihm, dem um zwei Jahre Jüngeren, vergönnt sein, nach dieser kirchlichen Winterzeit einen neuen Frühling zu erleben, auf den wir schon so lange hoffen.
Tübingen, im Januar 2005
Hans Küng