Edition Exemplum

Ein Lesebuch

von

Die ‚Oberstaufener Schrift‘ ist ein sehr persönliches Buch: Die Texte sind alle im Zusammenhang mit dem Tod der Mutter Kristian Rotters entstanden. Und so muten die ‚Aufzeichnungen‘ im ersten Teil fast wie Tagebucheinträge an, in denen Gedanken, aktuelle Eindrücke und Begegnungen, aber auch Auseinandersetzungen mit Zurückliegendem scheinbar unzusammenhanglos aufeinander folgen.

Und doch ist schon bald in dieser anscheinend willkürlichen Aneinanderreihung die Wandlung der Trauer wie ein roter Faden erkennbar, ja fast körperlich spürbar: Bohrt sie sich zu Beginn in fast jeden Gedanken, stehen Schmerz und auch Wut über den Verlust im Vordergrund, so nimmt allmählich die liebevolle Erinnerung und Dankbarkeit für das Gewesene den größeren Raum ein.

Die Textfragmente werden klarer, wieder länger – der Tod wird als Chance für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, mit Möglichkeiten, aber auch Verpflichtungen begriffen. Am Ende stehen (auch übersetzte) Passagen in fremden Sprachen, die von Rotters Leidenschaft für Natur, alte Kultur und Kunst erzählen – dieses innere Bedürfnis des Autors, in extremen Lebenssituationen in andere Sprachen zu wechseln, birgt nicht nur die Möglichkeit neue Ausdrucksformen zu schaffen, sondern erzeugt auch eine gewisse heilsame Distanz.

So kann letztlich im autobiographischen Essay ‚Geliebte Mutter Gottes‘ manchmal schon fast humorvolle Rückschau auf von unglücklichen Lieben geprägte Jugendjahre neben hochphilosophischen Fragen angesichts des Todes der Mutter stehen.