Edition Noema

von

Aber wie sieht er denn aus? Abgemagert ist er, abgezehrt, gebrechlich. Gramgebeugt. Dieser Schatten von einem Mann, der ehemals als strahlender Dozent mit seinem Witz unter den Studenten die Freude am Lernen zur obersten didaktischen Maxime erhob, geht heute gebeugt, trübsinnig und resigniert. Seine magische Aura hat sich aufgelöst. Seine verzaubernden Worte scheinen verhallt. Er könnte jeden Moment abrupt von der Erdscheibe fallen.

Paul Krieger, Hochschuldozent für Französisch und Widerstandskämpfer gegen die Unvernunft, muss operiert werden. Der Hausarzt hat nach der Kostprobe seines Urins Krebs festgestellt. Die Chirurgen schärfen ihre Messer und die lüsternen Priester beten für den Ungläubigen. Nach der gelungenen Operation wird Paul zum Schmerzpatienten. Ein Fehler? Eine unerklärbare Anomalie? Es beginnt eine verworrene Odyssee durch die Praxen der Götter in Weiß, aber selbst der Teufel scheint ihm nicht helfen zu können. Paul stürzt sich wieder in die Arbeit, um seinem chronischen Schmerz zu entkommen. Mit seinem Freund Michel reist er durch reale und imaginäre Jahrhunderte der französischen Salonszene der Aufklärung und Kolonialgeschichte, diskutiert mit den Salonièren über die Emanzipation der Frau und neue Gesellschaftsmodelle. Dabei begegnet er jedoch immer wieder dem Absurden, welches er bejahen will, um leben zu können. In einem ständigen Dialog mit seinem Intimfreund, dem Leser, versucht Paul seine verlorene Orientierung wiederzufinden. Trotz des Debakels ohne Gott bleibt er optimistisch, weil es keinen Grund dazu gibt.

Manfred Overmann entwirft nach seinen beiden humorvoll-gesellschaftskritischen Erstlingsromanen durch die deutschen Schul- und Hochschullandschaften in seinem dritten Roman die verzweifelte Reise eines Schmerzpatienten, der in die Normalität zurückkehren möchte. Ich will nicht zu den letzten Menschen gehören, die sich lethargisch, lebensmüde und uninteressiert im Mittelmaß ihrer Komfortzone einrichten (…) Er, der große Krieger im Kampf für Frieden und Humanität, will noch nicht die Waffen strecken und die Flinte ins Korn werfen, denn das selbstverschuldete Inferno hat schon lange begonnen, aber niemand will es wahrhaben. Wir wollen morgen anfangen die Welt zu verbessern, aber heute ist es schon seit gestern zu spät. Deshalb haltet Abstand zu den Menschen, mindestens 1,5 Millionen Lichtjahre.