Edition Solitude

Erzählungen

von

‚. plötzlich sieht mich das Spiegelgesicht an, ein bleigraues, heringfressendes, würgendes oder erwürgtes Gesicht, Mama hatte sie gefunden, ihre eigene Mutter, an einem Strick, und es war nur der sogenannte Anfang vom Ende, Mama wollte fort, wie ich, sie hätte es tun sollen, gewiß, sie wäre genausowenig erlöst worden wie ich, entschlossen rupfe ich dieses Gesicht aus der Erde heraus, und nun ist es wirklich still, überall, alles, ein harter Diamant ist das Nichts, der über die Endlosrille kratzt, ein ewiger Singsang, eine Endlosmusik so ein Leben‘.

Bianca Döring ist da. In einer Welt, in der es schwer wird dazuzugehören, erfüllt sie sich in und mit ihrer Sprache dies dringliche Bedürfnis. Aus der ‚Engstelle Schreiben‘ heraus spricht die Autorin mit drängend-taumelnder Konkretheit Welt herbei; eine Welt, in der man heimlicher und heimischer wäre.

‚Eine Geschichte kann heranwachsen aus einem Brunnen und den gesamten Königsplatz überschwemmen, und alle müssen stehen bleiben und versteinern in ihren Erinnerungen. Jetzt warten wir und sind besorgt. Warum?‘

Bianca Dörings Erzählen erwächst aus im Naturerleben befestigten Gedichten, versenkt und entfaltet sich im Ich/Sie von ‚Ein Flamingo, Eine Wüste‘ und ‚Schnee und Niemand‘, geht aus sich heraus mit Episoden, kleiner Dosis und kurzen Sachen, bis hin zu ‚Exit‘, dem Erleben der nunmehr zerstörten Natur.

Liest man ihr chronologisch nach, so zeigt sich eine Textentwicklung, die, fast wie im Innern eines Entwicklungsromans, von der ungefilterten Wahrnehmung des eigenen Da-Seins über allmählich analytisches Begreifen hin zu einer gelassenen Öffnung des Ich auf die Welt expandiert.
In jedem Fall führt die Analyse, wie Bianca Döring sie treibt, zu einer akribischen Spracharbeit, die selten-schöne und seltsam vertraute Bilder für Innenräume findet.