Edition Solitude

Erzählungen

von

‚Pater Pierre fühlte sich müde. Wie oft waren die Heimgekehrten in seiner Gemeinde zu ihm gekommen, um zu beichten. Und viele von ihnen wussten nicht mehr, wozu dieser Krieg gut gewesen war.‘

Die Grausamkeit dese Vietnamkrieges zerfleischt nicht nur den Fremden in der Erzählung ‚Das Loch‘. Alle Figuren in Hung Gursts Erzählungen sind vom Krieg gezeichnet: Ma kämpft auf dem Schlachtfeld um sein Leben, der Fremde kämpft mit dem Vergessen und der Schuld, Dr. Min, der als junger Arzt in Kambodscha diente, wird vom Wahnsinn heimgesucht, die Mutter ringt mit sich, dem Sohn die Wahrheit beizubringen, und der Mann, der als Offizier diente, versucht sein Leben vor dem Krieg wiederzufinden.

Das Leid und der Kampf gehen weiter und nur die Rede scheint den seelischen und körperlichen Krüppeln Erleichterung zu verschaffen. Hung Gurst stellt den Kriegszeugen Zuhörer gegenüber, die in der Erzählung die Rolle des Lesers verdoppeln, die die Geschichten motivieren und ihnen Authentizität verleihen.

Die Erzählweisen verändern sich bei der Darstellung des Krieges. Während in der ersten Erzählung ‚Der Zwischenfall‘ der Schrecken und der Kampf um das Leben direkt erzählt werden, hängen die Berichte der Überlebenden wie von Vergangenheit eingerahmte Bilder vor dem Hintergrund der Gegenwart. Der Krieg rückt in die Ferne, und zum Schluss bleibt nur das mediatisierte Dokument des Filmes.

Hung Gurst ist in Südvietnam geboren und kam 1976 in die DDR. ‚Der Zwischenfall‘ wurde in deutscher Sprache geschrieben. Dadurch entstanden Erzählungen, die in ihrer einfachen nüchternen Sprache und Schreibweise die Brutalität und die Sinnlosigkeit umso stärker hervorkehren. Ohne die filternde Wirkung einer fremden Sprache hätte diese Kriegsrealität vielleicht nie beschrieben werden können.