Zum Inhalt:
„Die Photographie wurde und wird immer noch vom Gespenst der Malerei heimgesucht“, schrieb Roland Barthes vor beinahe 20 Jahren in seinem legendären Buch „Die helle Kammer“. Dass dieser Satz noch heute Gültigkeit besitzt, stellt Ihnen, liebe LeserInnen, diese 54. Ausgabe von EIKON vor Augen. Doch ob dieses „Gespenst“ ein ehrenwerter Geist oder ein unangenehmer Spuk für die fotografische und mediale Kunst unserer Tage ist, liegt, wie vieles, im Auge des Betrachters, aber vor allem in der Hand des Künstlers.
Wenn RITA NOWAK ihre Künstlerfreunde versammelt, um Alte Meister zu zitieren, geschieht das meist wie zufällig. Denn ihre fotografischen Inszenierungen sind Bild gewordene Assoziationen, die durch ihre Leichtigkeit den Vorbildern spielerisch Reverenz erweisen und gerade dadurch ihre eigene Identität erlangen.
LUKAS MAXIMILIAN HÜLLER macht das Leben zur Bühne. Seine Rotationskamera ermöglicht einen Rundumblick, der an die alte Tradition von Daguerres Diorama – wie die Fotografie von der Camera Obscura hervorgebracht – anknüpft, einem Theater mit Panoramen, die durch bewegliche Teile und Lichteffekte künstlich belebt wurden. Hüllers aktuelles Projekt der „Sieben Todsünden“ rekurriert auf den „Todsündentisch“ von Hieronymus Bosch und transformiert Thema wie Symbolik durch aufwendig gestaltete Inszenierungen – fotografisch und filmisch umgesetzt – in unsere heutige Zeit.
Einblick in die Abgründe menschlicher Leidenschaften gibt auch die amerikanische Künstlerin EVE SUSSMAN, wenn sie sich mit einem wegweisenden Historienbild, dem „Raub der Sabinerinnen“ von Jacques-Louis David, auseinandersetzt. Dieses brandneue Werk von Sussman, deren Arbeiten Teil international berühmter Sammlungen sind, erfährt in diesem Sommer seine Welturaufführung. EIKON macht schon heute auf dieses spannende Kunstwerk aufmerksam, das von Verführung und Entführung handelt und uns die Parallelen zwischen der antiken Welt und den utopischen Fantasien der modernen Gesellschaft vor Augen führt.
Einen ganz anderen und dennoch bewussten Umgang mit kunstgeschichtlichen Referenzen pflegt die junge Österreicherin BARBARA CASPAR, deren Werk ständig rund um gesellschaftliche Erwartungen kreist. Aus ihrer Sicht hat sich das Angebot der Kunstgeschichte als nutz- und funktionslos erwiesen. Das Video dient Caspar als technisches Medium der Erneuerung, die eigene Person als experimentelles Mittel zwischen Künstlerischem und Sozialem. Der Donaufluss ist nicht nur ein mächtiges mythologisches System, er ist auch Europas verbindender Strom.
Der Medienkünstler ANDREAS MÜLLER-POHLE setzt sich in seinem „Danube River Project“ mit der Wasserkante als Scheidelinie zwischen dem politisch und ökonomisch umlagerten Raum des neuen Europa „oben“ und der vernachlässigten Welt „unten“ auseinander. Indem der Künstler ein „Blutbild“ des Flusses erstellt, das die politischen Versprechen der zehn Anrainerstaaten reflektiert, stellt er die Donau in einen künstlerisch-politischen Diskurs.
Kunststaatssekretär Franz Morak erzählt im Forum dieses Heftes von seinen slowenischen Wurzeln und gibt Werner Rodlauer Antworten auf kulturpolitische Fragen in diesem Jahr der österreichischen EU-Präsidentschaft, während Adam Budak, Kurator am Kunsthaus Graz, im Gespräch mit Walter Seidl zur Situation der aktuellen polnischen Kunstszene Stellung bezieht.
In einem weiteren, umfassenden Beitrag gibt Li Zhenhua, Chinas wohl wichtigster Medienkritiker dieser Tage, exklusiv für EIKON einen Überblick über die Medienkunst in Peking und stellt anlässlich eines aktuellen Projektes den Bezug zur österreichischen Medienkunst her.
- Veröffentlicht am Donnerstag 8. Juni 2006 von ÖIP
- ISBN: 9783902250247
- 88 Seiten
- Genre: Film, Fotografie, Kunst, Loseblatt-Ausgabe, TV, Video, Zeitschrift