Ein Schwejk in der NVA

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Die 18 Monate, die Kurt W. Fleming (Jahrgang 1953) als Antistalinist und Che-Guevara-Anhänger in den siebziger Jahren bei der Nationalen Volksarmee auf der Insel Rügen diente, waren seine eigentliche Lehrzeit. Daß er dort den Schikanen der Ausbilder und Offiziere standhielt, verdankte er auch einer besonderen Motivation: er hatte nämlich vor – in revolutionär-romantischer Verklärung -, als Guerillero nach Lateinamerika zu gehen, um den Tod des Ches zu rächen und gegen den Yankee-Imperialismus zu kämpfen. In Kuba wollte er sich zum Guerillero ausbilden lassen und dann auf den lateinamerikanischen Kontinent gehen. Eine andere Identifikationsfigur war für ihn – wie er im Nachhinein erkannt hat – der brave Soldat Schwejk Er hat sich wie dieser einiges einfallen lassen, um gegen den abverlangten Drill und Kadavergehorsam beim Kampf gegen den kapitalistischen Klassenfeind anzugehen, was den Leser nicht selten Tränen lachen läßt, wenn er dem Alarmverhinderer und Waffenverlierer bei seinen Schwejkiaden folgt. In erster Linie stützt sich Fleming dabei auf sein Gedächtnis, denn er führte damals nur stichpunktartig Tagebuch. Wie Günter Wallraff in seinen Bundeswehrerinnerungen geht es dem ostdeutschen Pendant um das „freiwillig auf sich genommene nicht ernst genommen werden im großen Spiel des Lebens“. Fleming bezeichnet sich selbst als „Nachkriegsgeborenen, der sehr früh schon die Nutzlosigkeit von tradierten Unsinnigkeiten wie Ehre, Moral, Stolz, Autorität und geschlechtsspezifisches Rollendenken und -verhalten erkannt hat“: „Zur gleichen Zeit machten wir mit den älteren Dienstjahrgängen Bekanntschaft. Eines Tages kam ein solcher in unser Zimmer und fragte nach mir. Als ich mich zu erkennen gab, sagte er: Du bist mein Ladehugo!‘ So wurden jene genannt, die im Panzer dafür verantwortlich waren, daß der eregierte Penis des Panzers immer mit stahlharten Spermien geladen wurde. Ich konnte mir schon lebhaft vorstellen, was da auf mich zukommen sollte. Solche Granaten waren ja nicht gerade leicht und ich war eher das, was man einen Schwächling zu nennen pflegte. Schon bald malte ich mir bildreich aus, wie oft wohl eine solche Granate meinen Händen entglitt und hinabfiel – immer verbunden mit der Horrorvision, daß ich dadurch wohl jeden Panzer von allein in die Luft sprengen, also unserem Klassenfeind manche Arbeit abnehmen würde. Zum meinem Glück kam es aber nie zu solch einer fundamentalistischen Selbstvernichtung.“
Beim Lesen dieses amüsanten Buches wundert man sich, daß die DDR nicht schon viel früher untergegangen ist, da ja bekanntlich die Armee das Spiegelbild der Gesellschaft sein soll.