Prag zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Menschen, die mit schwejkschen Listen kafkaeske Abenteuer bestehen – ein Meisterwerk erzählender Kunst
Wie die Teile eines Flügelaltars wollte Johannes Urzidil diese Erzählungen angeordnet wissen. Mehr noch als durch die Form sind sie aber durch den Ord der jeweiligen Handlung verbunden: Prag zu Anfang des 20. Jahrhunderts, als man in den Kaffeehäuserd der Stadt unter dem Hradschin noch Werfel, Brod, Kisch und Kafka begegnen konnte.
Im „Relief der Stadt“ erinnert sich Urzidil an die Orte seiner Kindheit, wo die Deutschen die Tschechen befehdeten und die Tschechen die Deutschen und alle gegen die Juden waren. Die „Seitentafeln“ schildern einen sich abahnenden skurrilen Rechtsstreit von kohlhassischen Dimensionen zwischen einem Prager Bürger und dem Magistrat beziehungsweise die letzte Lebensphase des Dichters Karl Brand, dessen Tod als Symbol für den Untergang einer enthusiastischen Schriftstellergeneration gesehen werden kann. Im „Schrein“ schließlich – einem wahren Kabinettstück erzählerischer Kunst – diktiert „Weißenstein Karl“, eine Figur zwischen Erfindung und Realität, „vom Weltgebäude herab oder hinab“ die Geschichte eines ebenso abenteuerlichen wie banalen Lebens, das die Welten Haseks und Kafkas vereinigt. Mit schwejkischer List meistert Weißenstein Not, verworrene Liebesbeziehungen und die Wechselfälle des Daseins. Im abschließenden „Gesprenge“ beschwört Urzidil mit einem unheimlichen Operntraum noch einmal die Stadt seiner Jugend.
- Veröffentlicht am Mittwoch 5. November 1997 von Residenz
- ISBN: 9783701710829
- 240 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählungen, Historische Romane