Eine wahrhaft schreckliche Geschichte zwischen Sizilien und Amerika

Ein Essay

von

Enrico Deaglio rekonstruiert mit erzählerischer Kraft und journalistischer Bravour eines Truman Capote diesen Fall von Lynchjustiz, der sich 1899 einige hundert Kilometer nördlich von New Orleans zutrug und wie ein filmreifer Thriller beim Lesen Gänsehaut erzeugt.
In einer heißen Nacht im Juli 1899 war das unbekannte Städtchen Tallulah – ein winziger Fleck auf der Landkarte der Neuen Welt Schauplatz einer kollektiven, grundlosen und grausamen Lynchjustiz. Der Auslöser? Eine Ziege, die sich am Gras des Nachbargartens gütlich hielt, machte den weißen Gartenbesitzer so wütend, dass er das Tier erschoss. Daraufhin kam es zu einer größeren Schießerei. Unmittelbar fand sich eine weiße Menschenmenge zusammen und lynchte in einer Kollektivvergeltung fünf Menschen, sizilianische Bauern, alle aus ein und derselben Familie, ausgewandert aus der sizilianischen Stadt Cefalù. Armutsflüchtlinge.
In Wahrheit hatte die Geschichte wesentlich größere Ausmaße, war noch viel grauenvoller, infamer, mysteriöser, aber auch abenteuerlicher und beinahe wie im Märchen.
Hier war eine Wirtschaftsmacht am Werk, die eine neue „verfluchte Rasse“ brauchte und eine solche in den schlechtbeleumundeten sizilianischen Arbeitern („Dagos“) fand, eine Rasse, die die Stelle der befreiten Sklaven auf den Pflanzungen und Feldern einnehmen sollte. Eine transozeanische Deportation, die zu Zeiten Garibaldis konzipiert und von rassistisch gesinnten Wissenschaftlern, Landbesitzern, Regierenden während des Risorgimento befeuert wurde.

»….das Buch hat mich stinksauer gemacht, denn beim Lesen wuchs in mir nachträglich himmelschreiende Empörung über den italienischen Staat und seine verantwortungslose Vorgehensweise in dieser Angelegenheit, vor allem aber wegen der ethnorassistischen Einstellung gegenüber uns, den Sizilianern.« Santo Piazzese, bei einem Treffen mit Enrico Deaglio, Mai 2018, Palermo, Literaturfestival Una marina di libri.