Eines geeigneten Tages

Erzählungen

von

Das neue Buch von Wolfgang Denkel, Eines geeigneten Tages, ein Erzählband mit 31 Geschichten, ist so ungewöhnlich wie sein Debütroman Ja. Nein. Ja., der als ‚Meisterwerk des Unaufwands, der schillernden Erfindung‘ (Jutta Heinrich) bezeichnet wurde. Denkel versteht es auf eigentümliche Weise, ‚Geborgenheitsräume‘ zu erzeugen, die man alle nach dem Lesen mitnimmt, hinaus aus dem Buch und hinein in den Alltag, um sie wieder und wieder aufzusuchen und zu durchdenken.
Seine Figuren sind erfreulich facettenreich: Ein Maler, der an seinem erfolgreichsten und berühmtesten Werk verzweifelt, eine Frau, die beim Öffnen eines Marmeladenglases von der unbequemen Frage bedrängt wird, weshalb sie das Leben lieben sollte. Ein anderer Mann, der erkennt: ‚Es geschieht, weil ich es sehe‘, und der daraufhin die Augen schließt, ‚um niemanden in Gefahr zu bringen.‘ Skurril sind die scheinbare Nichtigkeit eines Wortes, das einen Mord auslösen kann, eine Begegnung mit einem bemerkenswert taktvollen Teufel und die überraschenden Dialoge, die die Erzählungen durchziehen.
Die Geschichten handeln von Träumen und ihren Unmöglichkeiten, von Liebe und Tod und vor allem von Worten als Körper, Worten als Orte und Worten als einzige Wirklichkeit, nach der die Figuren auf der Suche sind. Wolfgang Denkel eröffnet dem Leser ungewöhnlich genaue und berührend einfühlsame Einsichten in seine Figuren und lässt ihn nicht nur Leser bleiben, sondern bezieht ihn in die Geschichte mit ein: der Leser selbst wird Figur. Die Fragen, die sich dabei immer wieder stellen, sind spannend und unverbraucht, denn noch unverplant und ganz eigen ist Wolfgang Denkels Sprache, sind seine Sätze: ‚Trotzwörter nützen mir nichts mehr, ich brauche Hebe-und-entschwebe-Wörter.‘

Textauszug:

Ich wäre so gern ein bedeutender Mensch. Es würde das Leben erleichtern, indem es dessen Anstrengungen begründen könnte. Ich müsste mich seltener schämen, weil man auch hinter meinen Ungeschicklichkeiten eine Absicht und einen Sinn vermuten würde. Schon morgens, wenn ich mit meinem Geruch noch nicht einverstanden bin, würde ich denken: Das kommt bestimmt von den allzu lebhaften Träumen. Denn ein bedeutender Mensch hat starke, verwirrende Träume, die auch den Abgrund nicht scheuen.
Beim Duschen schaute ich an mir hinunter und wäre einen Moment lang überrascht, welche Kostbarkeiten dieser welke, unansehnliche Körper birgt. Später, auf der Toilette sitzend, würde ich lächeln, und der Widersinn des Lebens würde mich rühren.
Heiraten würde ich vermutlich nicht. Ich scheute alle Zeugen, außer denen meiner Größe. Im Umgang mit mir selbst würde ich einen recht vertrauten Ton wählen; warum auch nicht? Ein bedeutender Mensch hat es schwer genug. Wenn hingegen eine Frau mich anspräche, würde sie darauf achten, nicht allzu vertraulich zu wirken. Es wäre ihr unangenehm, von mir missbilligt zu werden. Ich aber würde mich als überraschend geduldig erweisen. Überhaupt wäre es mir eine Freude, vorgefasste Meinungen über mich zu entkräften. Ich bin gar nicht Ich, würde ich aller Welt zu verstehen geben. Man würde das mit Bescheidenheit verwechseln. Vielleicht aber auch wäre ich tatsächlich bescheiden. Wenn ich bedeutend wäre, wäre ich gern bescheiden.