Der Entfremdungsbegriff ist ein Schlüsselbegriff der Sozialphilosophie und einer kritischen Zeitdiagnose der Moderne. Entfremdung wird im 18. Jahrhundert zur Zivilisationskrankheit, zur Chiffre, mit der man die Entzweiung des Menschen zu sich selbst und zur Welt zum Ausdruck bringt. Zugleich wird auch heute, angesichts ökonomischer und gesellschaftlicher Entwicklungen, so etwas wie eine Beunruhigung der Dinge artikuliert, die jedoch nicht immer mit dem Begriff der Entfremdung in Verbindung gebracht wird.
Vor dem Hintergrund dieser doppelten Ausgangssituation soll zum einen durch eine textimmanente Spurensuche deutlich werden, dass der Gegensatz zwischen dem, was dem Menschen ursprünglich und dem, was ihm fremd ist, übergreifendes Leitmotiv in Rousseaus Werk ist und diese Entfremdung im Sinne von ›Entäußerung‹ erst die Möglichkeiten wahren Menschseins birgt. Rousseau weist in seinem als spannungsvolle Einheit verstandenen Werk auf Möglichkeiten hin, die gesellschaftliche Denaturierung zu überwinden, zeigt Wege zum authentischen Menschsein auf. Damit ist Rousseau einer der ersten Diagnostiker der Entfremdung als einer philosophischen Zentralkategorie der europäischen Neuzeit.
Zum anderen kann der Rousseau’sche Entfremdungsbegriffs aufgrund seiner Ambiguität auch dazu beitragen, über aktuelle Phänomene weiter nachzudenken. Rousseaus Entfremdungsbegriff fokussiert nicht nur die Perspektive auf das, wovon man sich entfremdet hat, sondern nimmt auch Aneignungsprozesse diagnostizierend in den Blick.
- Veröffentlicht am Freitag 27. Juli 2012 von Wehrhahn Verlag
- ISBN: 9783865252814
- 140 Seiten
- Genre: Aufklärung, Philosophie, Renaissance, Taschenbuch