Essays

Zu Adalbert Stifter

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Einer der großen österreichischen Dichter des 19. Jahrhunderts, Adalbert Stifter, wurde vor 200 Jahren, am 23. Oktober 1805, geboren. Wolfgang Matz, Autor der jüngsten Biographie Stifters, hat mit Gewalt des Gewordenen eine feinfühlige, philosophisch durchdachte und sprachlich prägnante Darstellung der Welt Adalbert Stifters geschrieben. In 10 Kapiteln nähert er sich dem Kosmos dieses als Landschafts- und Naturdichter gerühmten, als reaktionärer Idylliker abgelehnten Dichters, und vor unseren Augen entsteht eine Szenerie höchster Dramatik: ein Werk, in dem das Erhabene, die Schönheit des Natürlichen ständig in ein finsteres Prinzip der Gewalt umschlägt, in dem jede Landschaft zur Naturkatastrophe zu werden droht, in der die Menschen unbegreiflichen Mächten ausgeliefert sind. Die Angst davor, die gleichzeitig die Angst vor den ungebremsten vitalen Kräften ist, wird zur Angst vor der geschichtlichen Bewegung als solcher und ist wohl verantwortlich für die Seiten Stifters, in denen Erbaulichkeit und idyllische Selbstzufriedenheit uns als etwas typisch ›Biedermeierliches‹ erscheinen wollen.
Klug und überzeugend arbeitet Wolfgang Matz die Dialektik von Stifters Werk heraus, ‚daß Angst und latenter Wahnsinn da endgültig zum Durchbruch kommen, wo äußerlich die ihnen entgegengesetzten Kräfte vorherrschen, wo Ordnung, Konstruktion und Vernunft das Chaos und die Leidenschaft bezwungen zu haben scheinen.‘
Ein im besten Sinne gedankenreicher Essay, eine großartige Einführung in Stifters Werk und ein glänzendes Beispiel für die Kunst der Literaturwissenschaft.