Eurokokke

Roman. Faksimile der Erstausgabe

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Yvan Goll gehört mit dem 1927 erstmals publizierten Roman „Die Eurokokke“ zu den Untergangsvisionären des zwanzigsten Jahrhunderts, die mit Kultur- und Zivilisationskritik die Zerstörung der traditionellen bürgerlichen Kultur bloßstellen. Die Brüchigkeit der europäischen Kultur zeigt sich nicht zuletzt in der Vereinsamung des Menschen in der Großstadt, in der wogenden Menschenflut der Pariser Grands Boulevards. In kurzen, episodenhaften Begegnungen des Ich-Erzählers stellt Goll die Heimatlosigkeit des Menschen dar. Keine Lösung, aber zumindest Aufklärung über die Ursache des depressiven, lethargischen Zustands der Menschen bringt das scheinbar zufällige Aufeinandertreffen des Protagonisten mit einem amerikanischen Chemie-Professor aus Philadelphia. Dieser diagnostiziert folgendes:

Es ist höchstwahrscheinlich anzunehmen, daß auch Sie nach dem Beispiel der Steine, der alten Bücher und der Esel innerlich vollkommen ausgeleert sind. Sicher haben auch Sie keine Leber, kein Herz, keine Seele mehr. Das heißt, auf Ihr Menschentum übertragen: Sie haben keinen Ehrgeiz, keinen Glauben und keine Liebe mehr. Nicht wahr, Sie haben auch kein Pflichtgefühl mehr, keine Ehrfurcht vor den Eltern und Gott, keinen Respekt, keine Vernunft, keine Zucht und kein Ziel? Sie haben die Krankheit der Leere, auch Langeweile genannt, Sie haben die Eurokokke. Sie sind zu allem fähig, intelligenter weiser junger Mann, zum Selbstmord wie zum Mord.

lieferbar:

Yvan Goll: Der Mitropäer (3-89244-397-1); Die Lyrik (3-89244-398-x);
Claire Goll: Der Neger Jupiter raubt Europa (3-89244-394-7); Ein Mensch ertrinkt (3-89244-395-5); Der Gläserne Garten (3-89244-396-3); „Ich sehne mich sehr nach Deinen blauen Briefen“. Rainer Maria Rilke – Claire Goll. Briefwechsel (3-89244-404-8).

Der Autor: Yvan Goll: 1891 in Saint-Dié / Vogesen geboren, gilt als deutsch-französischer Klassiker des 20. Jahrhunderts. Jurastudium in Straßburg, mußte als Deutsch-Franzose 1914 ins Schweizer Exil fliehen. Dort begegnet er den Dadaisten, die ihn wesentlich prägten. Freundschaftliche Beziehungen zu James Joyce, Stefan Zweig und Hans Arp. 1919 ging er nach Paris, wo er einer der Wortführer der surrealistischen Bewegung wurde. Yvan Goll starb am 27. Februar 1950 in Paris.

Die Herausgeberin:

Barbara Glauert-Hesse arbeitete als Rundfunk-Redakteurin und Verlagslektorin. Sie katalogisierte im Auftrag der Deutschen Schillergesellschaft von 1969 an den Nachlaß von Yvan und Claire Goll gemeinsam mit Claire Goll in Paris. Nach deren Tod 1977 setzte sie die Arbeit am Goll-Nachlaß im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar und in Saint-Dié-des-Vosges, Frankreich, fort. Seit 1988 ediert sie die Gesamtwerke beider Autoren.

Pressestimmen: „Das ist ein schönes und reines Zeugnis für einen Geist, der sich auf rettungslos verlorenem Posten inmitten einer untergehenden Welt fühlt und jeden Kompromiß ablehnt, der ihm Sinn und Inhalt des Lebens vortäuschen könnte. Eine Hymne des intellektuellen Nihilismus, wie sie in diesen ermattenden, besänftigenden Tagen der Nachkriegszeit nur selten noch geschrieben werden. Es ist durchaus kein langweiliges Buch. Aber ein eiskaltes. Wie glänzend es geschrieben ist, wird jeder Leser nach wenigen Seiten spüren (.).“
(Axel Eggebrecht 1929, Literarische Welt)

Auf knappem Raum bündelt der Roman eine bunte Vielfalt großstädtischer Impressionen und Geschichten. Die Reflexionen dieses Romans über Angst und Tod erinnern an Rilkes „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. Dieser kleine Großstadtroman ist es wert, wieder gelesen zu werden.“
(Thomas Anz, Frankfurter Allgemeinen Zeitung)