Gefährlich und geheimnisvoll ist die Welt und in diesen flirrenden Ungewissheiten gewährt nur die Schrift einen Halt.
Der deutsche Arzt Robert Sieburg wird verschleppt, vielleicht irgendwo im Mittleren Osten, vielleicht irgendwo in Zentralasien. Der Sprache nicht mächtig, der Sitten unkundig und nicht wissend, was ihn erwartet, bewegt er sich mit den Entführern, dem fremden Stamm, Mitgliedern eines unbekannten Ordens, durch die Berge und Hochtäler des Landes. Kontinuierlich soll er seine Erlebnisse und Gedanken schriftlich festhalten, er erfährt: die Aufzeichnungen gelten den Entführern als ‚Verbindung zu Gott‘, durch sie ‚komme die Wahrheit‘. Nur selten hat der Gefangene während der Reise die Möglichkeit, mit seiner Frau zu telefonieren. Seine Ansprachen, von einer Kamera festgehalten, werden, so erfährt er von ihr, im deutschen Fernsehen übertragen.
Ex Voto entführt den Leser in eine archaische, mythische, apokalyptische Landschaft – und Kronenbergs Kunst, Geheimnis, Bedrohung, aber auch die Magie der Fremde und der Einsamkeit zu evozieren, ist groß! Schnittstelle zwischen Robert und der neuen Welt ist Harry, sein Übersetzer/Dolmetscher, mit dem er ein merkwürdiges Bündnis eingeht. Währenddessen verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Märchen, Wirklichkeit und Bild, Gegenwart und Vergangenheit: Je vertrauter dem Gefangenen das neue Leben wird, umso fremder wird er dem Leser; das Misstrauen, das er gegen sich hegt, zieht weitere Kreise.
Eindrucksvoll entfaltet sich so eine Erzählung, in der der Gefangene, anfangs noch ohnmächtiges ›Werkzeug‹, die Machtverhältnisse umkehrt. Es geht um Kulte und Initiation, um Gewalt und Tod, Glaube und Unglaube, Freiheit und den Verlust des Selbst. Mit Ex voto ist Yorck Kronenberg ein außergewöhnlicher, spannender Roman um politische Mythen von heute gelungen.
- Veröffentlicht am Montag 31. Januar 2011 von Droschl, M
- ISBN: 9783854207788
- 188 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur