Filme zum Hören

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Wir befinden uns in der Zeit des Wirtschaftswunders, ganz Deutschland (ganz Deutschland?) ist von dem Gedanken an ökonomischen Erfolg beherrscht: Wohlstandsorientierung wird zum gesellschaftlichen Leitbild, man will die Schrecken von Naziherrschaft und Zweitem Weltkrieg vergessen und sich etwas leisten können, und dafür ist man bereit, hart und viel zu arbeiten.

Allerdings wird gegen die verkrustete Gesellschaft auch Protest seitens der Jugend laut, die den Rock ‘n‘ Roll als Medium der Rebellion für sich entdeckt. Insbesondere Elvis Presley, aber auch Chuck Berry und Little Richard, oder dann Peter Kraus und Ted Herold in Deutschland, sind die Helden einer neuen, körperbetonten und wilden Musik, die – so wie sich das noch immer gehört hat – von den Eltern als minderwertig abgetan wird: Nur so macht Rebellion schließlich Spaß…

Neben die musikalischen treten v.a. auch Kinohelden, sie heißen Marlon Brando und James Dean. In Filmen wie Denn sie wissen nicht, was sie tun (Rebel Without a Cause, Nicholas Ray 1955) oder Die Saat der Gewalt (Blackboard Jungle, Richard Brooks 1955) werden diese Leinwandrebellen zu Vorbildern für viele junge Männer. Für die Frauen sind Marylin Monroe und Brigitte Bardot Stilikonen. – In Deutschland ist insbesondere ein Name untrennbar mit dem Phänomen der Halbstarken verbunden: Horst Buchholz.

Ähnlich wie seine amerikanischen Pendants wird der charismatische Schauspieler zum Idol einer aufsässigen Generation, die sich gegen die autoritäre Vätergeneration und deren starre Regeln wehrt. Doch driftet die Auflehnung in Georg Tresslers Filmklassiker Die Halbstarken (1956) zusehends ab in die Illegalität. Der Film prägte das Bild vom jugendlichen Rebellen als kriminellem Glückssucher, der allerdings sozialkonforme Träume träumt – denn der Aufstand gegen die Väter zielt nicht auf den Umsturz oder die Umgestaltung der Ordnung, wie das ein gutes Jahrzehnt später bei den 68ern der Fall sein sollte, sondern auf einen möglichst schnellen und mühelosen sozialen Aufstieg. Die eigene Kriminalität wird dabei durch das (angeblich) ebenfalls kriminelle Verhalten der Eliten entschuldigt.

Anders als bei anderen Audiobooks, die sich dem Medium Film verschrieben haben, werden in der Reihe Filme zum Hören nicht Tonspuren aus Filmen kopiert, sondern man widmet sich den literarischen Texten, die den Werken zugrundeliegen oder zugleich mit den Drehbüchern entstanden sind (so schon bei den Filmklassikern Dr. Mabuse oder High Noon).

Bei Die Halbstarken handelt es sich um ein Produkt der Arbeit im Medienverbund, denn Will Tremper schrieb das Drehbuch auf der Grundlage seiner gleichnamigen Erzählung (die er als „Zeitroman“ bezeichnet), die wiederum mit Szenenfotos aus dem Film in der Reihe Der bunte TOXI Film-Roman im Langhelm-Verlag (Hannover) veröffentlich wurde.

Die Erzählung ist konventionell strukturiert, aber handwerklich solide gearbeitet und temporeich erzählt. Ähnlich wie den Film zeichnet den „Zeitroman“ eine große Dynamik aus, die auch durch die Sprache erzeugt wird: Das Werk entfaltet sich aus einer Mixtur von im Stil einer Reportage berichtender Erzählerrede und von am Jugendjargon orientierten Figurendialogen. Diese an der Mündlichkeit orientierte Sprache macht auch den Reiz der Neuveröffentlichung des Illustriertenromans als Hörbuch aus.

Die Lesung des Sprechers und Schauspielers Charles Rettinghaus, der u.a. als Synchronstimme von Robert Downey jr. (Sherlock Holmes) bekannt ist, folgt dem ungekürzten Originaltext aus dem Jahr 1956.