Finale am Montségur

Das Drama einer Götterdämmerung

von

Friedrich Schornstein berichtet über das Phänomen einer dialektischen geistesgeschichtlichen Entwicklung, bei der zwei religiöse Ansichten aufeinandertreffen, die sich gegenseitig ausschließen: das römisch geprägte mittelalterliche Christentum und das Christentum des Katharismus, jener christlichen Glaubensbewegung vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, die vornehmlich im Süden Frankreichs, aber auch in Italien, Spanien und Deutschland vertreten war. Gemäß ihrer dualistischen Weltsicht (die materielle Welt ist das Böse, das Gute ist nur bei Gott und im Himmel) war der Kern ihrer Lehre die Unvereinbarkeit von Materie (Fleisch) und Seele. Die römische Amtskirche war um die Jahrtausendwende so reich, machtbewusst und überheblich geworden, dass man sich über die bescheidene Lebensführung der Katharer lustig machte, sie verspottete, obwohl diese versuchten, im Gegensatz zur priesterlichen Hierarchie echt christlich in Armut und Frömmigkeit zu leben. Sie waren fast alle Bauern und Handwerker, Tagelöhner, arme Leute; ihre religiösen Anschauungen wurden jedoch von den lokalen weltlichen Herrschern respektiert, mitunter sogar gefördert. Für den römisch-katholischen Klerus existierte der Katharismus nur insofern, dass man ihn besteuern konnte. Das Verhalten Roms änderte sich radikal, als die Katharer für sie eine existentielle Gefahr wurden. Da versuchte man, sie zu vernichten. Nur eine der beiden organisierten Kirchen konnte obsiegen. Das Unterliegen-Müssen ist für den Katharismus, seinen Friedenswillen, seine Lebenswelt und sein Verhältnis zum etablierten Christentum, ein kennzeichnendes Merkmal. Dass beide christlich sind, macht diesen Untergang zu einem tragischen Geschehen. F. Schornsteins Bericht über diese beklemmende Tragödie beginnt und endet mit mythologischen Impressionen.