Flussfunde

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Bei der allerersten Auszeichnung, die ich als werdende Schriftstellerin erhalten sollte, saß sie
neben mir: eine reizende, warmherzige und verschmitzte Dame, mit der ich ins Gespräch kam. Wir flüsterten einander zu, während auf der Bühne die Preise vergeben wurden und ich immer unruhiger wurde, ob mein Name noch genannt würde. Über das Schreiben redeten wir. Und ich war beglückt über das Literaturverständnis, das uns einte, über die Ruhe, die meine ältere Sitznachbarin ausstrahlte, über ihr Dasein.

Nur wenig überraschte mich, dass meine Gesprächspartnerin sich später selbst als Schreibende entpuppte. Marga Ruth Mead, mit dem wunderbaren Künstler- und Spitznamen: Marume.

Seither haben wir uns nicht mehr aus den Augen gelassen. Ich bewundere ihre Kraft, ihren Schreibwillen, ihr Gespür für das Aufzuschreibende. Und ihre Disziplin, sich immer wieder mit Erlebtem und Erfundenem zu konfrontieren, sich immer wieder aufzumachen in die Welt der Wörter. Denn was hat sie nicht alles erlebt! Mutig ist sie losgezogen, nach Australien, nach Neuseeland, nach China, nach Indonesien und Hongkong – in einer Zeit, in der das Reisen noch mehr bedurfte als die Fähigkeit, sich einen Flug zu buchen.

Umso schöner, dass jetzt dieser Gedichtband vorliegt, der ihr Sprachgefühl, ja, ihre Seele, zwischen Buchdeckel bindet, so dass wir teilhaben dürfen an den Lebensbeobachtungen, die Marume mitgebracht hat von ihren Reisen – über Meere und Kontinente hinweg: diese berührenden und nun berührbaren Flussfunde.

Christiane Neudecker