Flusswinter

von

SEIT DER GROSSEN VERÄNDERUNG ist auch die Landschaft eine andere geworden. Hat ihr Gesicht gewechselt. Wie ein Schauspieler. Der Landstrich am Fluss, früher die fruchtbare Au und geschützt, entvölkert sich von Woche zu Woche mehr. Ohne Aufsehen verschwinden Men-schen. Bleiben untergetaucht ohne Nachricht für die Zurückgebliebenen. Und schüren die Ver-mutungen. Die sich im dichten Nebel verlaufen. Gerüchte, halblaut ausgesprochen an Wirts-haustischen. Tonlos beinahe und hinter vorgehaltener Hand. Nebelsätze. Gegen die Angst. Dann sprechen die Menschen von anderen Dingen und trinken ein paar Gläser von dem sauren Wein, der auf den Hügeln wächst, die den Landstrich am Fluss vom Hinterland trennen.
Janak, reden wir vom Wetter, dem unzuverlässigen, sagen sie zu mir. Das sich hier gegen allgemein bekannte Entwicklungen verändert hat. Sie wissen, dass ich die Wettererscheinungen genau beobachte. Als Mesner kümmere ich mich um die Kirche. Halte sie instand, obwohl der Pfarrer schon vor Monaten ins Hinterland gezogen ist. Die Arbeit kann ich mir selbst einteilen, nachdem der Pfarrer weggegangen ist. Unfreiwillig, von einem Tag auf den anderen. Niemand kontrolliert meine Arbeit. So bleibt genügend Zeit für die Wetterkunde. Man weiß, dass die Erde sich erwärmt. Die durchschnittlichen Temperaturen steigen. An ihrer Oberfläche schmilzt das Eis, in ihrem Inneren beginnt die Erde überzukochen. In den Zonen ohne Vulkane, durch die der Überdruck aus dem Erdkern abgeleitet werden kann, können in wenigen Jahren schon riesige Explosionskrater entstehen. Kilometerlange Durchmesser werden keine Seltenheit bedeuten. Dörfer können so von der Erde verschluckt werden. Ganze Dörfer und Städte, bis ein Bezirk nach dem anderen unter der Erdkruste verschwindet. Zerkocht wird! Ich bestelle einen Doppelliter für mich und meine Zuhörer.