Fremde Heimat Deutschland?

Literaturblätter der Deutschen aus Russland

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Kurz vor dem 20-jährigen Jubiläum des Literaturkreises der Deutschen aus Russland e.V. erscheint im Berliner ANTHEA Verlag der neue Almanach des Literaturkreises, der dem Andenken des 2013 verstorbenen Autors Viktor Heinz gewidmet ist, einem der bekanntesten russlanddeutschen Autoren, der zu den Mitbegründern des Vereins zählte und 17 Jahre lang den Almanach als Chefredakteur betreute.

Das Redaktionsteam des Almanachs veranstaltete auch dieses Jahr einen bundesweiten Literaturwettbewerb, der allen Autoren in Deutschland offen stand, ungeachtet der Herkunft, Religion, Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit. Eine unabhängige Jury, die aus zwei Autoren und einer Schauspielerin bestand, bestimmte die Sieger des Wettbewerbs. Die Siegerbeiträge werden in diesem Jahrbuch an erster Stelle abgedruckt (Gewinner der Kategorie Prosa: Micaela Daschek; in Kategorie Lyrik: Andreas Peters und in der Kategorie Junger Autor unter 35 J.: Julia-Maria Warkentin). Danach folgen ausgewählte Prosabeiträge, Lyrik, Zeitzeugen- Integrationsberichte. Am Ende Rezensionen, Erinnerungen und Nachrufe. Letztendlich ist eine interessante Mischung aus bunten Texten entstanden, eine Art literarisches Kaleidoskop mit Beiträgen von den deutschen Autoren aus Russland als auch Autoren, die in Deutschland geboren sind. Der Band besticht gerade mit dieser ungewöhnlichen Mischung, die sich als „literarischer Dialog“ zweier Kulturen lesen lässt. Außergewöhnlich sind die unterschiedlichen Blickwinkel auf verwandte Themen wie Heimatverlust, Heimatfindung, Sich-fremd-Fühlen, Ausgestoßensein und Ähnliches.

Bei allen drei Siegerbeiträgen gilt: sie haben den Nerv der Zeit getroffen. Andreas Peters gewann damit nicht seinen ersten Literaturpreis (s. Biographie). Immer wieder wendet er sich in seiner Lyrik den aktuellen politischen Problemen und Integrationsthematik zu. Die beiden Siegertexte in Kategorie Prosa handeln von Problemen junger Frauen: Im gegenwärtigen Russland bei Micaela Daschek (Der Zobel) und bei Julia-Maria Warkentin (Die verlorene Tochter) hier in Deutschland.
Unter den Lyrikern findet man viele neue Namen von experimentierfreudigen jungen Autoren, aber auch einige bereits preisgekrönte Autoren wie zum Beispiel Wendelin Mangold (Hessischer Integrationspreis 2013), Irina Malsam (Siegerin des Wettbewerbs Almanach 2013), Agnes Gossen-Giesbrecht (Russlanddeutscher Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg 2010). Von den in Deutschland geborenen Autoren stechen die Beiträge des jungen, ebenfalls mehrfach preisgekrönten Lyrikers Thomas Rackwitz hervor (unter anderem Féile Filíochta Award und Walter-Bauer-Stipendium der Städte Merseburg und Leuna).