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Josef Winkler im Gespräch mit Michael Kerbler

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„Bei den Toten bin ich gerne, sie tun mir nichts und sind auch Menschen“ „Der allerschönste und allerschlimmste Ort, an dem ich mich aufhalte, ist immer noch mein Gestell, mein Knochengerüst, in dem ich hause seit Anfang März des Jahres 1953, aber ich war mit ihm und mit mir auch einige Zeit im indischen Varanasi, in Rom, Berlin, Paris, Venedig, in Frankfurt, in Biel und anderswo zu Hause“, schreibt Josef Winkler, der sich einmal ironisierend als »Allerheiligenhistoriker« bezeichnet hat, und kehrt damit einmal mehr zu einem seiner grossen Themen zurück: zu den Toten. »Bei den Toten bin ich gerne, sie tun mir nichts und sind auch Menschen“. In »Roppongi, Requiem für einen Vater« werden einander indische Todesriten und der Tod in Österreich gegenübergestellt und auch in seinem Buch »Ich reis mir eine Wimper aus, und stech’ dich damit tot« kreisen die Geschichten um dieses Thema. Immer wieder, ob in Kärnten, in Italien, in Indien oder Mexiko, tauchen in der Geschichtensammlung Unfälle auf. Was Winkler manchmal als Obsession angekreidet wird, enträtselt sich bei genauerer Lektüre vielleicht als der sehnliche Wunsch, die Frage nach dem Sinn des Lebens aus einer ganz anderen Perspektive, nämlich vom Tod her zu beantworten. Das sich zur-Sprache-bringen ist für Josef Winkler eine mühevolle Arbeit, die ihn allerdings leicht macht: »Wenn mir ein Satz nicht wie ein Mühlstein um den Hals hängt, wozu soll ich ihn dann loswerden?« fragt Winkler schreibend. Es gilt für Josef Winkler, was Albert Camus einst über Sisyphos gesagt hat: »Il faut s’imaginer Sisyphe heureux.« (Etwa: »Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.«) Das Walzen eines Steines, die wiederkehrende Befreiung vom Mühlstein, kann einen Menschen so sehr beschäftigen, dass er darin seine existentielle Erfüllung darin findet. »In einem Zeitalter, in dem Markttauglichkeit das einzige Qualitatskriterium für Literatur zu werden droht, brauchen wir Texte wie die Josef Winklers, rücksichtslos und risikoreich, hinter denen, von der ersten bis zur letzten Zeile, ein Autor steht mit seiner ganzen Existenz. Möge er noch lange seine Recherchen überleben.« Dieser Satz stammt nicht aus der Laudatio, die über Josef Winkler und dessen Werk anlässlich der Verleihung des Grossen Österreichischen Staatspreises 2007 gehalten wurde. Diese Zeilen der Wertschatzung notierte der Schriftsteller Antonio Fian im Jahr 2003, in dem Jahr, in dem der Kärntner Autor sein Buch »Leichnam, seine Familie belauernd« veroffentlichte.

(Das Gespräch wurde am 9. Oktober 2008 IM GESPRÄCH im Radio-Kulturprogramm Ö1 gesendet.)