Geliebte Fortuna

Georg Weerth & Betty Tendering

Georg Weerth – einst Vormärz-Poet und Journalist der Neuen Rheinischen Zeitung, einst Revolutionär und Freund von Marx und Engels – ist nur auf der Durchreise, als er Betty Tendering Ende September 1855 in Köln wiedersieht. Bereits bei ihrer ersten Begegnung drei Jahre zuvor hatte die anmutige junge Frau einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen – doch nun ist es endgültig um ihn geschehen. Er, der draufgängerische Abenteurer, der erfolgreiche Geschäftsmann, der rastlose Weltreisende verliebt sich hoffnungslos in diese geheimnisvolle Schönheit. Obgleich er befürchtet, dass „sie zu schön und zu vornehm für einen Menschen sei, der sich mit den Äquinoktialstürmen herumzuschlagen hat, mit dem Vomito Negro und mit spanischen Kreolen“, steht sein Plan fest: Er will Bettys Herz erobern. Gemeinsam mit ihm solle sie Europa verlassen und ihn auf seinen Reisen in die Neue Welt begleiten. Es bleibt ihm nicht viel Zeit, denn er hat das Ticket für die Rückfahrt in die Tropen bereits in der Tasche. Er macht ihr einen Heiratsantrag, es folgen leidenschaftliche Briefe, Paris, die Boulevards und die Cafés, eine überstürzte Reise von Manchester nach Marseille … Weerth setzt alles daran, um die Liebe seiner Angebeteten zu gewinnen.
20 Briefe – ein Zeitdokument, das vor dem Hintergrund der dynamischen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse Mitte des 19. Jahrhunderts das Lebensgefühl von zwei jungen, vollkommen unterschiedlichen Menschen widerspiegelt. Rainer Süßmilch als leidenschaftlicher, idealistischer und abenteuerlustiger Georg Weerth, der zielstrebig die Realisierung seiner Träume verfolgt und mit Witz und Charme das Herz seiner Traumfrau zu erobern sucht. Katja Kolm als melancholische, launen- und rätselhafte Betty Tendering, die ihrer Umwelt und ihren zahlreichen Verehrern mit distanzierter Zurückhaltung begegnet. Während Betty in ihren Briefen das Panorama ihrer Seelenlandschaft entfaltet und über ihre Bestimmung reflektiert, stellt Weerth sein literarisches Talent nunmehr in der Briefstellerei unter Beweis. Die szenische Lesung „Geliebte Fortuna“ spürt die Annäherungen, die Mißverständnisse und die leise Intimität, die zwischen Georg und Betty im Verlaufe des Briefwechsels entstehen, auf. Untermalt von Klavierpassagen aus Robert Schumanns ″Carnaval“ sowie Franz Schuberts ″Valse Sentimentale“ und von dezenter akustischer Gestaltung getragen, wird Briefkultur des 19. Jahrhunderts zu einem Hörerlebnis.