generalprobe

Gedichte

von

‚immer noch schreibe ich meine zeilen
und kann mir keinen reim gross machen‘

Hans Gysis neue Gedichte feiern den Zweifel. Die Skepsis zieht sich wie ein roter Faden durch seinen neuen Lyrikband hindurch, der den bezeichnenden Titel generalprobe trägt. Damit ist das Leben gemeint, ein Stück ›ohne souffleur‹ und erst nachträglich mit ›gültigen szenen‹ und passender Handlung versehen. In diesem Theater gibt es jede Menge Allüren zu bewundern – von heroischen bis zu abgeklärten –, alle vom Autor mit der nötigen Portion Ironie nachgezeichnet. Daneben finden sich aber auch Leidenschaft und Versuche, der Wirklichkeit Farbe, Sinnzusammenhang oder wenigstens Erkenntnis abzugewinnen – vor einem Hintergrund von Hinfälligkeit und Vergeblichkeit.
Mit Wortgewalt, Witz und Freude am Sound spielt Hans Gysi verschiedene Tonlagen durch, nimmt mit Verve Gemeinplätze und Lebensentwürfe aufs Korn und spürt den Rissen im Gefüge nach. Denn hinter den vermeintlichen Klarheiten unseres Alltags warten Sehnsüchte und Ängste, Offenheit und Träume.
Auch sein eigenes Schaffen als Dichter wird zum Thema: Ob er die Realität tastend in Worte zu fassen versucht, ob er mit Rückgriff auf die literarische Tradition von Villon bis Brecht dem an den Rand Gedrängten, der Fremdheit, Ausdruck geben will, ob er genussvoll wortschöpferisch in Klängen badet – wichtig sind die offenen Fragen, das Erkennen der Begrenztheit des Tuns und das Erahnen des weiten Horizonts.